Klimakolumne:Jetzt erst recht

Klimakolumne: Der hohe Gaspreis macht neue Fracking-Vorhaben auch in entlegeneren Regionen als hier in Kalifornien rentabel.

Der hohe Gaspreis macht neue Fracking-Vorhaben auch in entlegeneren Regionen als hier in Kalifornien rentabel.

(Foto: David McNew/AFP)

Sicher, Klimaschutz ist eine der Antworten auf Putins Krieg. Doch unter dem Strich bahnt sich für Klima und Umwelt eine Katastrophe in der Katstrophe an.

Von Michael Bauchmüller

Neulich war ich mit einem alten Freund wandern, einem Lehrer. Wir keuchten gerade den Berg rauf, als wir auf die Bilder aus der Ukraine zu sprechen kamen. Er frage sich, wie er im Geographie-Unterricht noch dazu mahnen könne, sparsam mit Energie umzugehen, wenn gleichzeitig reihenweise Treibstoffläger in schwarzen Rauch aufgingen. "Wie soll man mit Schülern über Plastik im Meer reden, während im Schwarzen Meer ganze Kriegsschiffe untergehen?", wollte er wissen. Ich wusste keine Antwort. Höchstens die, dass es auch eine Zeit nach dem Krieg geben wird, in der uns all die anderen Probleme wieder ereilen.

Ich will Ihnen nicht das Wochenende vermiesen, aber ich fürchte: Sie ereilen uns mit voller Wucht. Denn für Klima und Umwelt bahnt sich gerade eine Katastrophe in der Katastrophe an.

Sicher, Klimaschutz ist auch eine der Antworten auf Putins Krieg. Gerade im gasabhängigen Deutschland bekommt der Ausbau der Erneuerbaren jetzt noch einmal einen Schub. An den Tankstellen hat der Spritpreis ein Niveau erreicht, dass sich politisch, also über einen CO₂-Preis, in zehn Jahren nicht hätte bewerkstelligen lassen. Und angesichts der hohen Gaspreise wächst der Anreiz, weltweit noch das letzte Methan-Leck aufzuspüren, wo das Gas ungenutzt in die Atmosphäre entweicht. Das Klima freut sich, denn Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, ist ein besonders klimaschädliches Treibhausgas.

Das ist die eine Seite.

Die andere ist leider schlimmer. Beispiel Kohle: Noch beim Klimagipfel in Glasgow hatten sich die Staaten verständigt, die Kohle schrittweise zurückzudrängen. Doch nun ist Energie knapp und teuer - und die vergleichsweise günstige Kohle erlebt vielerorts ein Comeback, besonders in China. Vom Glasgower Plan, auch fossile Subventionen runterzuschrauben, redet niemand mehr. Stattdessen verzichtet selbst in Deutschland der Staat auf Spritsteuern, um Benzin und Diesel zu verbilligen. Und ob die nächste Klimakonferenz im November noch großes Interesse findet, wird sich wohl auch auf den Schlachtfeldern der Ukraine entscheiden.

Seit dieser Woche ist es ja obendrein wahrscheinlicher geworden, dass der Gasfluss aus Russland komplett versiegt - Polen und Bulgarien hat Gazprom diese Nachricht schon zugestellt. Ich muss zugeben, dass ich selbst anfangs fand, Sanktionen dürften nicht beim Erdgas halt machen. Wenn man den Krieg mit den Mitteln der Wirtschaft führen wolle, dürfe man nicht aus bloßer Rücksicht auf Einschnitte im eigenen Land ausgerechnet dort haltmachen, wo das meiste Geld in Putins Reich fließt. Und moralisch ist diese Position auch tatsächlich schwer zu halten.

Die Folgen, weit jenseits Deutschlands, ließen sich aber kaum absehen. Denn faktisch würde damit das russische Erdgas komplett dem Weltmarkt entzogen. Fließt es nicht mehr durch die Pipelines nach Westen, dann findet es auch keinen anderen Abnehmer. Die Folge wäre ein weiterer, rapider Anstieg der Erdgaspreise. Und damit käme nicht nur die Kohle noch stärker ins Spiel zurück - viele neue Fracking-Vorhaben, selbst in den entlegensten Regionen, würden plötzlich rentabel. Die ersten Löcher werden jetzt schon gebohrt. Und ist das Gas einmal angezapft, mit viel Aufwand, dann fließt es - auch dann noch, wenn der Krieg lange vorbei ist. Es wären neue fossile Investitionen, die den Klimaschutz um viele Jahre zurückwerfen.

Keine guten Aussichten, ich weiß, wie so oft, wenn es um diesen Krieg geht. Aber wahrscheinlich wären derlei Kollateralschäden einem Wladimir Putin gar nicht unrecht, schließlich untergrub der Klimaschutz ohnehin das wichtigste Geschäftsmodell Russlands, den Export fossiler Brennstoffe. Und das wäre dann doch die passendere Antwort für den Kriegstreiber im Kreml: Jetzt erst recht!

In diesem Sinne: Lassen wir uns nicht entmutigen.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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