Süddeutsche Zeitung

Übertragung von Aids-Erregern:Was zu beweisen wäre

Wer hat wen wann mit HIV angesteckt? Das ist nach ein paar Jahren kaum mehr festzustellen. Denn Aids-Erreger verändern sich ständig und mutieren sehr unterschiedlich.

Christina Berndt

Aids-Viren sind etwas ganz Individuelles. "Irgendwann hat jeder Patient sein eigenes Virus", sagt Bernhard Ruf, Chefarzt am Klinikum St. Georg in Leipzig und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie.

Und das hat vor allem einen Grund: Die Aids-Erreger sind genetisch sehr instabil; sie verändern sich ständig. Eben diese Eigenschaft von HIV macht es Wissenschaftlern denn auch so schwer, Impfstoffe und Medikamente gegen die Viren zu entwickeln.

Je länger also eine Übertragung des Virus von einer Person auf eine andere zurückliegt, desto unterschiedlicher sind die Erreger in ihrem Blut. "Direkt nach der Ansteckung kann man die Viren noch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eindeutig einander zuordnen, wenn man sie genetisch typisiert", sagt Ruf.

Mit der Zeit aber gingen alle Viren ihre eigenen Wege: "Sie mutieren vor allem dann sehr unterschiedlich, wenn beide Patienten oder einer der Patienten Aids-Medikamente bekommt."

Denn durch die Medizin sterben manche Viren im Körper des Infizierten aus, andere aber vermehren sich umso stärker - angesichts des künstlichen Selektionsdrucks durch die Arzneien kommt es zu einer beschleunigten Evolution.

Wer hat wen angesteckt?

Der mutmaßliche Sexualverkehr der offenbar HIV-infizierten Pop-Sängerin liegt wahrscheinlich schon Jahre zurück; 2004 und 2006 soll sie mit drei Männern geschlafen haben, ohne diesen von dem Virus in ihrem Blut zu erzählen.

"Man kann eine Typisierung der Viren probieren", sagt Ruf, "aber ich glaube nicht, dass eine Übertragung jetzt noch nachzuweisen ist." Dem stimmt auch Norbert Brockmeyer zu, Sprecher des Kompetenznetzes HIV/Aids: "Ich bin sehr skeptisch, dass die gesuchte Person so zu enttarnen ist", sagt er.

Und selbst wenn die Viren zusammengehörten, seien doch noch zahlreiche Fragen offen: Hat die Frau den Mann wirklich direkt infiziert oder waren möglicherweise weitere Partner beteiligt?

Und können die Viren nicht auch umgekehrt vom Mann auf die Frau übergegangen sein? Schließlich ist eine Ansteckung mit HIV auch dann noch möglich, wenn man bereits infiziert ist.

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Quelle:
SZ vom 17.04.2009/gal
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