Erderwärmung:Der Klimawandel hat die Regenfälle in Osteuropa verschärft

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Mitte September, Ostrava, Tschechien: Feuerwehrleute bringen Menschen mit einem Schlauchboot in Sicherheit. Nach sintflutartigen Regenfällen standen ganze Landstriche unter Wasser. (Foto: Ožana Jaroslav/dpa)

Die Erderwärmung macht Niederschläge wie Anfang September häufiger und intensiver, urteilen Forscher. Was das für die Zukunft bedeutet.

Von Christoph von Eichhorn

Das Wasser hat sich zurückgezogen, nun geht es in den Flutgebieten von Österreich, Tschechien, Polen und Rumänien ans Aufräumen. Zu tun gibt es genug: Mehrere Staudämme sind gebrochen, in Polen wurden zwei Brücken weggeschwemmt, als Tief Anett vier Tage lang Hunderte Liter Regen pro Quadratmeter über der Region ausschüttete. Im tschechischen Ostrava stand ein Industriegebiet unter Wasser, noch immer sind dort Tausende Haushalte ohne Strom. 24 Menschen starben durch die Fluten. Die versicherten Schäden allein dürften bei mehr als zwei Milliarden Euro liegen.

Auch Klimaforscher haben eine erste Bilanz von Anett gezogen – und kommen zum Ergebnis, dass die vom Menschen verursachte Erderhitzung die Starkregenfälle mit hoher Wahrscheinlichkeit begünstigt hat. Laut der vom Forschungsteam „World Weather Attribution“ vorgelegten schnellen Analyse treten vergleichbare Ereignisse heute mit einer doppelt so hohen Wahrscheinlichkeit auf wie zu vorindustriellen Zeiten, als der weltweite Treibhausgasausstoß noch nicht das Klima aufheizte. Die zusätzliche Hitze erhöhe zudem die Regenmengen solcher Ereignisse im Schnitt um sieben Prozent. Die Einschätzung sei konservativ, betonen die Wissenschaftler. In jedem Fall handelte es sich um die intensivsten Regenfälle, die je in der Region beobachtet wurden.

Zur Wucht von Anett – oder von Boris, wie der Sturm international heißt – trug maßgeblich dazu bei, dass es sich um ein Vb-Tief handelte. Ein solches bildet sich aus, wenn kalte Luftmassen von Norden her in den Mittelmeerraum ziehen und sich dort mit Feuchtigkeit vollsaugen – in diesem Fall noch begünstigt von außergewöhnlich hohen Wassertemperaturen. Das langsam in einem Bogen ziehende Tief schüttete diese Wassermengen dann grob nordöstlich der Alpen wieder aus, auf seiner Rückseite zogen zudem weitere Wolken aus der (ebenfalls sehr warmen) Schwarzmeerregion heran.

Je stärker sich die Erde erwärmt, umso höher das Risiko für vergleichbare Ereignisse

Vb-Tiefs seien selten, für sich genommen lasse sich für diese Wettersysteme noch keine Zunahme erkennen, schreiben die Klimaforscher in der Kurzanalyse. Allerdings ist der Beobachtungszeitraum seit 1950 auch vergleichsweise kurz. Um die Rolle des Klimawandels zu untersuchen, greifen die Forscherinnen und Forscher daher neben Beobachtungen auch auf Modelle zurück, die Starkregen in der Region darstellen können. Diese Simulationen spielen sie vereinfacht gesagt mit dem kühleren Klima vor der Industrialisierung durch sowie mit dem aktuellen, rund 1,3 Grad wärmeren. „Alle Modelle zeigen eine Zunahme in der Intensität sowie der Wahrscheinlichkeit“, heißt es in der Studie, „so wie man es von den physikalischen Prozessen in einem sich erwärmenden Klima erwartet“. Mit jedem Grad Erwärmung kann Luft rund sieben Prozent mehr Wasser aufnehmen, dadurch intensiviert sich der Wasserkreislauf auf der Erde.

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Wie hoch künftig das Risiko für ähnliche Starkregenfälle ist, lässt sich dennoch schwer beziffern, da Anett aus den Beobachtungsdaten derart herausragt. Es handle sich auch heute um ein seltenes Ereignis, betonen die Forscher, die Wiederkehrzeit liege ungefähr zwischen 100 und 300 Jahren. Sie verkürzt sich jedoch, je weiter der Mensch das Klima aufheizt. In einem um zwei Grad wärmeren Klima läge die Wahrscheinlichkeit für ein derartiges Starkregenereignis demnach um weitere 50 Prozent höher, es müsste mit fünf Prozent mehr Regen gerechnet werden als heute.

Dass die Fluten in der Mitte Europas nicht zu noch mehr Todesopfern geführt haben, ist wohl auch einer frühen Vorhersage und guten Vorbereitung seitens der Behörden zu verdanken. So liegt die Zahl der Todesopfer deutlich niedriger als bei vergleichbaren Hochwasserkatastrophen etwa im Jahr 2002, damals kamen mehr als 200 Personen ums Leben. Das zeige die Wirksamkeit von Frühwarnsystemen, technischem Hochwasserschutz und vorsorglichen Evakuierungen, betont das „World Weather Attribution“-Team. Trotzdem seien Infrastrukturen und Notfallsysteme teilweise überwältigt worden, „von der schieren Wucht und dem Ausmaß der Überschwemmungen“.

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