Übergewicht:Unempfindlich gegen Fett

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Ein neues Hormon schützt Mäuse vor Folgen von Übergewicht. Die Tiere werden dick, aber nicht krank.

Julia Gross

Fett essen ohne krank zu werden - bei Menschen funktioniert das selten, im Tierversuch offenbar schon. Forschern um Gökhan Hotamisligil von der Universität Harvard ist es gelungen, bei genveränderten Mäusen einen entsprechenden Mechanismus zu entdecken.

Im Experiment wurden die Tiere dick, entwickelten aber kein Metabolisches Syndrom. (Foto: Foto: Reuters)

"Egal, wie fett man sie ernährt, es ist unmöglich, diese Mäuse dazu zu kriegen, das Metabolische Syndrom zu bekommen", sagt der Arzt, dessen Arbeit im Fachblatt Cell (online) erschienen ist.

Das Metabolische Syndrom ist eine Wortschöpfung von Medizinern. Darunter werden Bluthochdruck, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen sowie eine Insulinresistenz verstanden, die mit erhöhtem Blutzucker und damit einer Diabetes-Neigung einhergeht. Diese Risikofaktoren führen zu mehr Herzinfarkten. Nicht aber bei den Versuchstieren - die Mäuse wurden dick, aber nicht krank.

Die Arbeitsgruppe von Hotamisligil entdeckte, dass die Fettsäure Palmitoleinsäure bei genveränderten Mäusen wie ein Hormon wirkte: Sie verhinderte die Anreicherung von Fett in der Leber und erhöhte die Insulin-Empfindlichkeit von Muskeln, so dass diese leichter Zucker aufnahmen. Die Mäuse können zwei Fettsäure-bindende Proteine (FABP) im Fettgewebe nicht herstellen. FABPs dienen Fettsäuren normalerweise als Transporter.

Als die Forscher das Blutplasma der Nager untersuchten, schwammen darin mehr Fettsäuren als üblich - normalerweise ein Anzeichen für Insulinresistenz. "Es kommt aber nicht nur auf die Höhe des Fettspiegels an, sondern darauf, wie sich die Lipide zusammensetzen", sagt Hotamisligil.

Bei seinen Mäusen fiel der erhöhte Anteil Palmitoleinsäure auf. Diese ungesättigte Fettsäure beeinflusste wie ein Hormon andere Organe. "Der Mechanismus scheint zu verhindern, dass Fett in falsches Gewebe eingelagert wird", sagt Dirk Müller-Wieland von der Hamburger Klinik St. Georg. "Dass eine Fettsäure aus dem Fettgewebe so eine Wirkung auf Muskeln und Leber ausübt, ist neu und hochinteressant."

Können Menschen profitieren?

Würde sich dieser Signalweg auch bei Menschen nachweisen lassen, könnte man ihn theoretisch medikamentös beeinflussen und so die Gesundheit übergewichtiger Patienten verbessern. Denkbar wäre die Zufuhr von Palmitoleinsäure oder eine gezielte Blockade der beiden Fettsäure-Bindungsproteine im Fettgewebe.

Die körpereigene Fettsynthese im Fettgewebe anzuregen könnte paradoxerweise ebenfalls helfen - auch, wenn der Mensch dann weiter zunimmt. Bei der Fettsynthese erhöht sich schließlich der Palmitoleinsäurespiegel im Fettgewebe. Normalerweise ist der Anteil dieses Stoffwechselweges an der gesamten Fettproduktion aber gering - denn in erster Linie werden Nahrungsfette zu Lipid-Depots umgewandelt.

Gökhan Hotamisligil und seine Mitar-beiter haben bereits begonnen, die Palmitoleinsäurewerte von Diabetespatienten und Probanden mit Metabolischem Syndrom zu untersuchen, um sie mit denen Gesunder zu vergleichen. "Ein nächster Schritt wäre es, Palmitoleinsäure oder FABP-Blocker von außen zuzuführen", sagt der Harvard-Forscher.

"Solche Tierexperimente sind Konzeptstudien, die sich nur mit Vorsicht auf Menschen übertragen lassen", sagt Diethelm Tschöpe, Direktor des Diabeteszentrums in Bad Oeynhausen. Er warnt vor überzogenen Erwartungen. "Bei Leptin hat sich der therapeutische Effekt auch nicht eingestellt."

Das hungerhemmende Hormon war nach Tierversuchen bereits als Appetitzügler gehandelt worden - bis sich herausstellte, dass viele fettleibige Menschen dagegen resistent waren. "Von Mäusen bis zum Menschen ist es ein weiter Weg", stimmt Hotamisligil zu. "Es gibt aber Hinweise darauf, dass beim Menschen die gleichen Stoffwechselwege existieren, und das ist recht ermutigend."

© SZ vom 20.09.2008/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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