Süddeutsche Zeitung

Soziale Netzwerke:Wie Bots die Diskussion auf Twitter manipulieren

  • Zum Höhepunkt der jüngsten Diskussion um den Flüchtlingstreck aus Honduras haben Bots die Debatte auf Twitter kontrolliert.
  • Laut einer neuen Studie verlinken sie gerne Promis - in der Hoffnung, dass ihre Meldungen so eine große Reichweite bekommen.
  • Bots werden relativ früh aktiv, noch bevor Nachrichten eine größere Aufmerksamkeitsschwelle überschritten haben.

Von Christian Gschwendtner

Natürlich ist der Spruch nicht ernst gemeint, trotzdem erfreut er sich im Internet immer größerer Beliebtheit: "Not a bot." Ich bin kein Roboter. Den Satz bekommt man derzeit in vielen sozialen Netzwerken zu lesen. Gemeint ist das Statement als eine Art Service-Hinweis an die eigene Online-Gefolgschaft: Achtung, Achtung, hier schreibt tatsächlich noch ein Mensch und keine Maschine.

Das ist einerseits abwegig, weil jeder halbwegs funktionstüchtige Roboter so einen einfachen Satz schnell beherrscht. Andererseits ist der Hinweis bitter notwendig. Zumindest seitdem man weiß, dass sich Millionen sogenannter Chat-Bots in die sozialen Netzwerke eingeschlichen haben. Sie verhalten sich dort zunehmend wie Menschen - sind in Wahrheit aber automatisch ablaufende Computer-Programme und in vielen Fällen dafür verantwortlich, dass sich Falschnachrichten rasant verbreiten.

Gut beobachten konnte man das zum Beispiel während des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs im Jahr 2016. Damals waren es vor allem rechte Bot-Netzwerke, die auf dem Kurznachrichtendienst Twitter Stimmung für Donald Trump machten.

Für sich genommen sind Bots trotzdem noch kein Problem, solange man sie von echten Personen unterscheiden kann. Im Fall der Chat-Roboter in den sozialen Netzwerken wird das aber immer schwieriger, wie eine Studie im Fachblatt Nature Communications zeigt. Wissenschaftler von der Indiana University Bloomington haben zehn Monate lang 14 Millionen Nachrichten auf Twitter ausgewertet. Alle Tweets hatten gemein, dass sie Artikel von unseriösen Quellen in Umlauf brachten. Die Forscher wollten so herausfinden, welchen Anteil Bots bei der Verbreitung von Fake News haben.

Weil sich Roboter auf Twitter in aller Regel nicht als solche zu erkennen geben, erstellte man zunächst ein "Botometer". Eine Art Score, der angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit hinter einem Twitter-Profil keine echte Person steckt. Möglich war das, indem die Wissenschaftler das Sprachverhalten der Nutzer, deren Online-Bekanntenkreis und eine Vielzahl an Metadaten auswerteten. Mit einem überraschenden Ergebnis: Nur sechs Prozent der Twitter-Profile wurden eindeutig als Bots eingestuft. Umso interessanter ist, dass diese kleine Gruppe für 31 Prozent aller Falschnachrichten verantwortlich ist.

Bots dominierten auf Twitter die Diskussionen über den Flüchtlingstreck aus Honduras

Auffallend war das Muster, nach dem die Bots vorgingen. Sie verlinkten berühmte Personen in ihren Nachrichten - in der Hoffnung, dass diese ihre Botschaften wiederum aufgreifen und an ihre vielen Abonnenten weiterreichen. Im Fall von Donald Trump funktionierte das in einigen Fällen erstaunlich gut. Die Bots schalten sich außerdem relativ früh in die Diskussion ein. Das heißt, sie greifen bevorzugt aktuelle Nachrichten auf und warten nicht ab, bis diese eine bestimmte Aufmerksamkeitsschwelle überschreiten.

Das soll aber nicht heißen, dass Roboter die Arbeit einstellen, sobald eine Meldung größere Runden zieht. Das zeigt eine Analyse des Start-ups Robhat Labs, das sich auf die Enttarnung von Bots spezialisiert hat. Demnach wurden jüngst zum Höhepunkt der Diskussion um den Flüchtlingstreck aus Honduras gut zwei Drittel der Unterhaltungen auf Twitter von Bots gelenkt. Obwohl die Verantwortlichen von Twitter in der Zeit davor Unmengen an Fake-Profilen gelöscht hatten. Vieles spricht also dafür, dass sich das Problem so nicht in den Griff bekommen lässt. Wissenschaftler warnen ohnehin vor Zensurvorwürfen, die bald laut werden könnten. Nämlich dann, wenn die Roboter schlauer werden und statt ihnen vermehrt echte Personen gesperrt werden.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2018/hach
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