Süddeutsche Zeitung

Turfan-Oase:Archäologen entdecken Grabtuch aus Cannabis

  • Archäologen haben im chinesischen Autonomen Gebiet Xinjiang eine Grabbeilage aus Cannabis-Pflanzen gefunden. Sie ist vermutlich 2400 bis 2800 Jahre alt.
  • Die Pflanzen wurden wahrscheinlich in der Region angebaut.
  • Dies wäre einer der frühesten Belege für die kultische Verwendung von Cannabis.

Von Christoph Behrens

Der Tote war gut für das Jenseits ausgestattet. Wertvolle Keramikbehälter, wohl mit Speisen gefüllt, legten ihm seine Hinterbliebenen vor 2500 Jahren mit ins Grab. Seinen Kopf betteten sie auf ein Kissen aus Gräsern. Doch das aus heutiger Sicht ungewöhnlichste Abschiedsgeschenk ist wohl das Grabtuch: Eine Decke aus 13 Cannabispflanzen umhüllte den Toten.

Den seltsamen Fund haben Archäologen der chinesischen Akademie der Wissenschaften nahe der Turfan-Oase im heutigen nordwestchinesischen Autonomen Gebiet Xinjiang gemacht. Radiocarbondatierungen ergaben für das Skelett und die Pflanzen ein Alter von 2400 bis 2800 Jahren. Stimmen die Berechnungen, wäre dies einer der frühesten Belege für eine kultische oder gar medizinische Verwendung von Cannabis.

"Das Cannabis scheint sehr wichtig für den Verstorbenen gewesen zu sein"

Jahrhundertelang diente die Turfan-Oase Karawanen der Seidenstraße als Zwischenstopp. Doch schon vorher, im ersten Jahrtausend vor Christus, siedelte dort eine hochentwickelte Gruppe von Menschen, Archäologen nennen sie "Subeixi". Vermutlich hielten die Einwohner Ziegen und Schafe, ritten auf Pferden durch die Steppe, wie Tierknochen in den weitläufigen Grabanlagen verraten.

Ganze Cannabispflanzen hat man allerdings noch nie in den Subeixi-Gräbern entdeckt, schon gar nicht so kunstvoll um einen Toten drapiert. Da die Pflanzen wegen des trockenen Klimas gut erhalten waren, konnten die Forscher ermitteln, dass sie zum Zeitpunkt des Begräbnisses einigermaßen frisch gewesen sein müssen. Sie seien sehr wahrscheinlich lokal angebaut worden und nicht etwa über einen Handel mit anderen Kulturen bezogen, schreiben die Archäologen im Fachblatt Economic Botany. "Das Cannabis scheint sehr wichtig für den Verstorbenen gewesen zu sein", sagt der Leitautor der Studie Hongen Jiang. Denkbar sei ein "bewusstseinserweiternder Zweck".

Auch in einem anderen Grab hatte man zuvor bereits zerkleinerte Überreste von Cannabis entdeckt. Die Archäologen vermuteten, dass der Mann ein Schamane der Kultur gewesen sein könnte und die Droge ihm dazu diente, die "Kommunikation zwischen der menschlichen Welt und der Welt der Geister" zu erleichtern. Auch ein medizinischer Einsatz des Krauts sei denkbar.

In jedem Fall scheint die Gruppe der Subeixi insgesamt fortschrittlich gewesen zu sein. "Sie waren zu vielem fähig und technisch praktisch auf dem allerneuesten Stand", sagt Mayke Wagner von der Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts. Wagner forscht zu den Textilien der Völker, die entlang der antiken Seidenstraße lebten. In deren Gräbern finden sich auch Belege für die Kultivierung von Gerste und Hirse - und ein anderes Rauschmittel: Wein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3225797
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/chrb/fehu/ewid
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.