Ursprünglich ist das Projekt allerdings aus einem eigennützigen Grund gestartet worden: um neue Flugrekorde aufzustellen. Was Passagieren im Ferienflieger Angst macht, bringt Segelflieger in ungeahnte Höhen. Neben thermischen Aufwinden, hervorgerufen durch die Sonneneinstrahlung, ist der Ritt auf Leewellen ein bevorzugtes Mittel, um ohne Motor rasch an Höhe zu gewinnen. Der Pilot muss nur wissen, wann und wo die besten Wellen mit den stärksten Aufwinden zu finden sind.
Um mehr darüber herauszufinden, riefen Heise, selbst Pilot, und der deutsche Rekordsegelflieger Klaus Ohlmann 1998 das "Mountain Wave Project" ins Leben. Rund um den Globus analysierten sie Gebirgszüge und Luftströmungen. In den Anden, wo der vorherrschende Westwind frontal auf eine bis zu 6962 Meter hohe Bergkette trifft, wurden sie fündig. Im November 2003 legte Ohlmann dort als erster Segelflieger in einer Richtung mehr als 2000 Kilometer am Stück zurück - eine Strecke von München bis nach Marokko.
Entscheidende Vorgänge ereignen sich über Grönland, in 6000 Meter Höhe
Inzwischen haben sich die Prioritäten des Projekts verschoben, es geht nicht mehr nur um Rekorde "Für mich steht im Mittelpunkt, die komplexen Strukturen in der Atmosphäre richtig zu verstehen und gezielt vorherzusagen", sagt Heise. "Was kann ich Piloten, egal ob im Segel- oder im Verkehrsflugzeug, mitgeben, damit sie Wellen und die damit verbundenen Turbulenzen und Geschwindigkeiten richtig einschätzen können?" Ende 2013 ist das Team deshalb nach Nepal aufgebrochen. Dort ging es nicht nur darum, mit dem Segelflugzeug eine 3-D-Karte des Mount Everest zu erstellen. Die Crew wollte auch die komplizierten Wellen rund um den höchsten Berg der Erde besser verstehen.
Heise ist nicht allein. Auch der Deutsche Wetterdienst (DWD) kümmert sich in jüngster Zeit verstärkt um Leewellen und Turbulenzen. In den aktuellen Flugwetterkarten lassen sich seit vergangenem Jahr Informationen über die vertikalen Geschwindigkeiten in verschiedenen Luftschichten abrufen. Im März 2014 sind Längsschnitte durch ausgewählte Bergketten hinzu gekommen. Sie weisen auf Regionen mit besonders starken Auf- und Abwinden hin.
Bislang ist das allerdings nur für Deutschland und die benachbarten Grenzregionen möglich. "Unser globales Modell ist viel zu grobmaschig, um Effekte simulieren zu können, die durch kleinräumige Höhenstrukturen ausgelöst werden", sagt Michael Noll, der beim DWD die digitalen Flugwetterkarten betreut. Während die weltweite Simulation des Wetterdienstes die Atmosphäre in Abschnitte mit 20 Kilometern Größe unterteilt, berücksichtigt das spezielle Modell für Deutschland Strukturen mit einer Abmessung von 2,8 Kilometern - es ist gerade gut genug, um Leewellen mit der notwendigen Qualität zu simulieren. Mehr als 21 Stunden können die lokalen Modelle allerdings noch nicht in die Zukunft schauen. "Erst gestiegene Rechnerkapazitäten haben solche routinemäßigen Vorhersagemodelle in den vergangenen Jahren überhaupt möglich gemacht", sagt Noll.
Überprüft werden die Prognosen mit Funksonden, die alle zwölf Stunden rund um den Globus in die Atmosphäre aufsteigen und dabei auch Ausgangswerte für künftige Vorhersagen liefern. "Vor allem die Vertikalgeschwindigkeiten lassen sich in der Regel aber nur dadurch verifizieren, dass Segelflieger sagen: Ja, die Vorhersage war gut, das hat gestimmt", so Noll. Um die Modelle zu optimieren, bedient sich der DWD daher bei den Datenbanken, in denen Segelflieger alle geflogenen Strecken eintragen.