Tsunami von 2004:Seebeben lässt Inseln wandern

Die Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean liegt knapp drei Jahre zurück - doch das gigantische Seebeben hält die Erde noch heute in Bewegung.

Axel Bojanowski

Die Seismologen, die am Zweiten Weihnachtstag 2004 in Banda Aceh auf der indonesischen Insel Sumatra Dienst taten, erkannten auf dramatische Weise, welch außergewöhnliche Kraft das Beben hatte, mit dem sie es da zu tun hatten. Erst schlug die Nadel ihres Sensors wild aus, dann zerriss sie das Papier, auf dem sie eigentlich die Schwingungen des Bodens aufzeichnen sollte. Und schließlich zersprang das ganze Gerät.

Auch heute noch, knapp drei Jahre nach dem schweren Seebeben, das am 26. Dezember 2004 Riesenwellen über den gesamten Indischen Ozean geschickt hat, werden in der Tiefe der Erdkruste gigantische Kräfte freigesetzt.

Das Beben - es war das zweitstärkste, das Seismologen je gemessen haben - hält die Erde noch immer in Bewegung. Landschaften am Indischen Ozean heben und senken sich seither kontinuierlich, berichten Geoforscher. Die unmerklichen Verschiebungen setzen sogar mehr Energie frei als Starkbeben.

Land wie zerknülltes Papier

Die Bewegungen, die Weihnachten 2004 unter der Erde abliefen, waren aber auch entsprechend extrem: An der Nordspitze Sumatras öffnete sich ein 1600 Kilometer langer Riss. Er durchschnitt den Erdboden bis in 160 Kilometer Tiefe.

Der Bruch schritt mit bis zu 2,5 Kilometer pro Sekunde Richtung Norden fort. Dabei ruckte der Boden des Ozeans örtlich um 15 Meter nach oben. Der Stoß verursachte die Tsunamis. Das Beben setzte so viel Energie frei wie der Einschlag eines 850 Meter großen Meteoriten. Es war stärker als alle Erdbeben zwischen 1965 und 2001 zusammen.

Als Wissenschaftler daraufhin die Daten von GPS-Navigationssatelliten auswerteten, staunten sie. Das Beben hatte Landmassen deutlich verschoben. Der gesamte Indische Kontinent lag auf einmal zwei Zentimeter weiter östlich. Die thailändische Insel Phuket wurde um gut einen viertel Meter versetzt. Und die Inseln der Andamanen und Nikobaren hatten sich gar mehr als drei Meter nach Südwesten geschoben.

Einmal in Bewegung geraten, kippten die Landmassen. Manche Orte hoben sich, andere sanken ab. Häfen und Mangrovenwälder in Sumatra und Birma fielen trocken. Auf den Nikobaren und in der indonesischen Provinz Aceh hingegen versanken weite Landstriche bis zu drei Meter tief im Meer. Auf den Andamanen hatte das Kippen der Erdkrusten-Schollen im Osten und Westen unterschiedliche Folgen.

Das "Scharnier" der Kippbewegung führte mitten durch die Inselgruppe. Im Westen ragten nach dem Beben Korallenriffe aus dem Wasser. Im Osten liegen viele Strände seither unter Wasser.

Nach dem Beben veränderte sich die Umwelt weiter, die Landschaft blieb in Bewegung. Phuket etwa verschob sich in den folgenden 50 Tagen um weitere 30 Zentimeter. Die Andamanen schoben sich bis heute um einen Drittel Meter weiter Richtung Südwesten, berichtet eine Gruppe um John Paul von der Universität Memphis in den USA nun im Fachblatt Geophysical Research Letters (Bd. 34, S. L19309, 2007). Bei der unmerklichen Bewegung der Inselgruppe wurde der Studie zufolge so viel Energie freigesetzt wie bei einem Beben der Stärke 7,5. Ein solch hoher Wert wird bei Erdbeben weltweit nur selten erreicht.

Die Seismologen haben aber auch eine gute Nachricht für die Bewohner von Port Blair im Osten der Andamanen-Hauptinsel. Die Hafenstadt war bei dem Beben um knapp einen Meter abgesunken; seitdem sind Ortsteile geflutet. Doch Port Blair taucht wieder auf, schreiben die Forscher. In den vergangenen zwei Jahren habe sich die Stadt wieder um 20 Zentimeter gehoben.

Die Bewegungen der Landmassen haben die Experten mit Hilfe von GPS-Sendern bestimmt, die vielerorts entlang des Indischen Ozeans installiert sind. Die Position der Sender kann mit Hilfe von Navigationssatelliten jederzeit präzise bestimmt werden.

Beben dauert unmerklich an

Die andauernde Verschiebung der Landmassen hat mehrere Gründe, haben John Paul und seine Kollegen berechnet. Zum einen entspanne sich das Gestein der Erdkruste nach dem schweren Beben - vergleichbar mit zusammengeknülltem Papier, das noch eine Weile knistert. Auf diese Weise könne gedeutet werden, dass sich Regionen wie Port Blair nach dem Absinken wieder heben.

Der Hauptteil der Bewegungen sei allerdings damit zu erklären, dass das Beben vom Zweiten Weihnachtstag 2004 unmerklich andauere. Die Erdschollen verschöben sich weiterhin entlang jenes Bruches, der sich bei dem Beben vor knapp drei Jahren geöffnet habe, erklärt der Geophysiker Tony Lowry von der Utah State University, ein Mitautor der Studie.

Ursache sei, dass das Gestein unterhalb des Bruches bei dem Beben unter große Spannung geraten sei. Es hole die Bewegung nach und schleppe darüber liegendes Gestein mit. Südasien, schreiben die Wissenschaftler, werde weiter in Bewegung bleiben. Wie lange, das sei jedoch unklar.

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