Süddeutsche Zeitung

Tschernobyl-Katastrophe:Im Inneren des Atom-Sarkophags

Der havarierte Reaktor in Tschernobyl hat eine neue Hülle bekommen. Die 36 000 Tonnen schwere Konstruktion soll den Abbau des immensen Atommülls im Inneren ermöglichen.

Der bei der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl explodierte Reaktor 4 hat eine neue Schutzhülle bekommen. Journalisten durften das "New Safe Confinement", das den geschmolzenen Reaktor-Kern und 200 Tonnen radioaktives Material abschirmt, diese Woche erstmals begutachten.

Das Bauprojekt unter der Schirmherrschaft der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung dauerte neun Jahre und kostete 1,5 Milliarden Euro. Die Bank verwaltete dazu einen Fonds, der neben eigenen Mitteln auch Geld aus 45 Ländern sowie von der EU umfasste.

Die Konstruktion ist 109 Meter hoch - höher als die Freiheitsstatue - und überspannt 257 Meter, breiter als das Kolosseum in Rom. Das ist groß genug, um den alten Nuklear-Sarkophag zu umhüllen, den Arbeiter 1986 in rund 200 Tagen zusammenzimmerten. Der provisorische Sarkophag ist jedoch in die Jahre gekommen und drohte zuletzt einzustürzen - daher wurde seit 2010 an einer neuen Abschirmung gearbeitet.

In dem havarierten Reaktorblock befinden sich nach Angaben der ukrainischen Regierung noch immer 43 000 Kubikmeter hochradioaktiver Abfall. 96 Prozent der bei dem Unglück entstandenen Radioaktivität sind noch in der zubetonierten Ruine eingeschlossen.

Am Morgen des 26. April 1986 war es in Reaktor 4 des ukrainischen Atomkraftwerkes zu einer Explosion und einer anschließenden Kernschmelze gekommen. Die Detonation wirbelte tagelang radioaktive Partikel in die Luft, die Wolke breitete sich über Westeuropa aus.

Wegen der hohen Strahlenbelastung unmittelbar am Unglücksreaktor wurde die neue Schutzhülle in einigem Abstand konstruiert. Im November 2016 wurde die 36 000 Tonnen schwere Hülle auf Spezialschienen über den alten Sarkophag gefahren. Sie soll 100 Jahre halten.

Im Kontrollraum des "New Safe Confinement". An der Innenseite des Bogens befinden sich ferngesteuerte Greifarme, mit denen Arbeiten am alten Sarkophag aus sicherer Entfernung durchgeführt werden können.

Der havarierte Reaktor soll in den nächsten Jahrzehnten nach und nach abgebaut werden. Ziel ist es, das radioaktive Material zu bergen und in tiefen geologischen Schichten endzulagern.

Tausende Arbeiter waren mit der Konstruktion der Schutzhülle beschäftigt. Deutschland hat sich bislang mit rund 100 Millionen Euro an der Sicherung der Nuklearruine beteiligt.

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