Trockenheit in Europa:Die große Dürre

Trockenheit in Europa: Wälder wie im Oktober, Dürre auf den Feldern und ausgetrocknete Flußbette - das ist Deutschland im Sommer 2015

Wälder wie im Oktober, Dürre auf den Feldern und ausgetrocknete Flußbette - das ist Deutschland im Sommer 2015

(Foto: dpa)
  • Die Trockenheit und Hitze der vergangenen Wochen hat in Deutschland, Südeuropa und im Nahen Osten große Schäden angerichtet.
  • In Deutschland rechnen Landwirte mit erheblichen Ernteeinbußen.
  • In Spanien schnellt der Wasserverbrauch wegen sehr vieler Touristen in die Höhe.
  • Der Nahe Osten leidet unter einer extremen Hitzewelle.

Deutschland: Ernteausfälle und Rekordtemperaturen

Seit Anfang Juli liegt Deutschland zwischen Tiefdruckgebieten über dem Atlantik und Hochdruckgebieten in Osteuropa, die wie gegenläufige Schaufelräder heiße Luft aus dem Süden nach Mitteleuropa befördern. "Ideale Bedingungen für Hitzewellen", sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Klimaforscher vermuten eine langfristige Schwächung der Höhenwinde auf der Nordhalbkugel der Erde. Das könnte derart stabile Wetterlagen fördern. Sicher ist, dass der Klimawandel die Thermometer häufiger und stärker ausschlagen lässt als früher. Schließlich ist die Erde nachweislich wärmer als vor fünfzig Jahren.

Gleich zweimal meldete der Deutsche Wetterdienst DWD in diesem Sommer Hitzerekorde. Am 5. Juli und am 7. August stieg die Temperatur im bayerischen Kitzingen auf 40,3 Grad - der höchste Wert seit dem Beginn flächendeckender Aufzeichnungen im Jahr 1881. Zuvor stammte der Höchstwert aus dem Sommer 2003, er betrug 40,2 Grad. Der Juli war 1,4 Grad wärmer als im Durchschnitt. Im Norden regnete es zwar genug. In Südhessen, Teilen Nordbayerns, Sachsens und Brandenburgs ist der Boden hingegen so trocken wie seit 50 Jahren nicht mehr. Im Main- und Alpenraum fiel nur halb so viel Regen wie sonst. Auf dem Rhein fahren große Frachter mit weniger Ladung, Abschnitte der Donau sind unpassierbar.

Landwirte müssen Ernteausfälle hinnehmen. Der deutsche Bauernverband befürchtet, Roggenerträge könnten regional um bis zu 30 Prozent einbrechen. "Es geht im Einzelfall für die Landwirte um erhebliche Einbußen bei den Einnahmen", sagt ein Sprecher des Verbands. Besonders hart trifft es Bauern in Baden-Württemberg, wo die Mais-Ernte um 40 bis 50 Prozent geringer ausfällt, teilte die Raiffeisen-Gruppe in Karlsruhe mit. An einigen Standorten sei mit einem Totalausfall zu rechnen. "Wir wissen kaum noch, wo wir unsere Kühe weiden lassen sollen", sagt Heiko Terno, der ein 1500 Hektar großes Gut in Brandenburg betreibt. Ganze Wiesen und Maisfelder seien verdorrt. "Die Extreme werden durch den Klimawandel weiter zunehmen und damit auch die Herausforderungen für die Landwirtschaft", warnte das Bundeslandwirtschaftsministerium.

hitze1

Grafik: SZ

Auch Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) nennt den Klimawandel als Ursache. "Daher wird man sich künftig vermehrt über die Bewässerung von Gemüse und Wein Gedanken machen müssen." Die Politik treibt in Deutschland bereits Projekte an, um die Auswirkungen neuer Dürren auch mit technischen Mitteln in den Griff zu bekommen.

Zur Entwicklung intelligenter Bewässerungsanlagen, etwa im Weinbau, gebe es bereits eine Kooperation mit einer israelischen Firma, so Brunner. Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft erforscht zudem Gewächse, die weniger Wasser benötigen.

Südeuropa: Touristen verschlimmern Wassermangel

Tourismus auf Mallorca

Massentourismus auf Mallorca

(Foto: dpa)

Auch in Spanien gab es in diesem Jahr Hitzerekorde. Schwerer wiegen dort aber die Folgen des regenarmen Frühjahrs. Bereits im März und April bekamen Obst- und Olivenplantagen nicht genug Wasser. Die Produktion von Olivenöl dürfte um ein Drittel sinken. Die Stauseen mit Trinkwasser liegen zum Teil nur bei der Hälfte des Solls. Auch die Obst- und Gemüsebauern müssen erhebliche Einbußen hinnehmen. Wegen des geringeren Angebots haben die Verbraucherpreise deutlich angezogen.

Ausgerechnet in dieser Lage steigt der Wasserverbrauch. Hauptgrund dafür ist der Tourismus. Da Mittelmeerländer wie Tunesien und Ägypten gemieden werden, verzeichnet Spanien in diesem Jahr einen Besucherrekord. Untersuchungen zeigen, dass Touristen fast doppelt so viel Wasser wie Einheimische verbrauchen, allein durch ausgiebiges Duschen. Hinzu kommen Swimmingpools und Golfplätze, die viel Wasser schlucken.

Die Gemeinde Sant Josep auf der Baleareninsel Ibiza hat nun den "Wassernotstand" verkündet, um Einheimische und Touristen zur Sparsamkeit anzuhalten. Doch die meisten anderen Touristenorte wollen diesem Beispiel nicht folgen. Die Dürre beschäftigt auch die spanische Politik: Bei den Parlamentswahlen im Herbst dürfte ein "nationaler Wasserplan" zum Thema werden.

In Italien fiel im Juli landesweit 56 Prozent weniger Regen als in anderen Jahren, in Norditalien waren es sogar 68 Prozent. Die Trockenheit schädigt die Bauern massiv. Gemüse und Obst "verbrennen" regelrecht, klagt der Landwirtschaftsverband Coldiretti. Schweineställe müssen klimatisiert werden. Hühner legen weniger Eier, die Kühe gaben im Juli 100 Millionen Liter weniger Milch als sonst. Fischfang und Muschelzucht leiden unter den hohen Wassertemperaturen, die laut Coldiretti in Lagunen und an einigen Küstenabschnitten schon 35 Grad erreichten.

Immerhin blieb Griechenland in diesem Jahr von der Witterung verschont, wie Jürgen Vogt von der Europäischen Beobachtungsstelle für Dürren bestätigt. Das Land sei in diesem Jahr nicht übermäßig von Dürren betroffen. Auch die Zahl der Waldbrände bewege sich im üblichen Rahmen. Ende Juli gab es in Griechenland mehr als 80 Wald- und Buschbrände auf dem Peloponnes und nahe Athen. Bei den Löscharbeiten starb ein Polizist. Viel schlimmer waren die Brände, die 2007 im Land wüteten. Damals starben Dutzende Menschen bei Bränden auf dem Peloponnes und der Insel Euböa.

Naher Osten: Stromausfall bei 53 Grad

Minorities forced to flee IS continue to shelter in camps in Iraq

Selbst bei Temperaturen von über 50 Grad müssen Flüchtlinge im Irak oft in Zelten ausharren.

(Foto: dpa)

Die arabische Welt erlebt allerdings eine extreme Hitzewelle. In Ägypten starben in den vergangenen Tagen bei Temperaturen deutlich jenseits der 40 Grad Dutzende Menschen an der Hitze, unter ihnen Patienten eines psychiatrischen Krankenhauses.

Im Irak protestierten Zehntausende gegen Misswirtschaft, weil bei Temperaturen von bis zu 53 Grad ständig der Strom ausfällt - und damit die Klimaanlagen.

Die Regierung verlängerte das Wochenende auf vier Tage. Viele Flüchtlinge sind zudem in Zelten der Hitze schutzlos ausgesetzt. Reisebeschränkungen auf Grund der Sicherheitslage erschweren es, in kühlere Regionen auszuweichen, wie es in vielen anderen Ländern der Region üblich ist.

In Iran wurden bei Bandar Mashad bei 46 Grad im Schatten gemessen, auf Grund der hohen Luftfeuchtigkeit fühlte sich dies für die Menschen aber an wie 70 Grad.

Winzer jubeln über die Trockenheit

Künstliche Bewässerung in Weinbergen

Künstliche Bewässerung in Weinbergen

(Foto: dpa)

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Italiens Winzerverbände rechnen mit deutlich mehr Ertrag als im verregneten Jahr 2014 und einer wohl "optimalen Qualität". "Dieses Jahr bietet alle Voraussetzungen für einen großen Jahrgang", sagt Giovanni Busi, der Präsident des Konsortiums Vino Chianti in der Toskana. Die Trockenheit hält Blattkrankheiten und Schädlinge fern.

Mit Ausnahme des Hitzejahres 2003 wurde in Italien noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg so früh mit der "vendemmia", der Weinernte, begonnen. Sie startete bereits in der Anbauregion Franciacorta in der Lombardei,auch auf Sizilien werden bereits weiße Trauben geerntet.

Auch in Deutschland hält Hermann Kolesch, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau einen "genialen Jahrgang" für möglich - sofern es demnächst wieder regnet.

Genau das soll an diesem Wochenende passieren: Eine Kaltfront bringt Abkühlung und Regen. Danach dürfte der Sommer eine Nachspielzeit geben, allerdings mit Temperaturen unter 30 Grad.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: