Süddeutsche Zeitung

Trockenheit:Wie Kalifornien die Dürre bekämpfen will

Kalifornien leidet unter der schlimmsten Dürre seit 1200 Jahren. Irgendwie muss dennoch der Wasserbedarf gestillt werden. Die Vorschläge reichen bis hin zu künstlichen Regenwolken.

Von Hubertus Breuer

Am Strand von Carlsbad, nördlich der kalifornischen Stadt San Diego, verstellt eine neu errichtete Entsalzungsanlage den Blick auf die sonnenbeschienenen Weiten des Pazifiks - es ist die größte in der westlichen Hemisphäre. Vom kommenden Herbst an soll das Werk mit hausgroßen Wassertanks, Zu- und Ablaufkanälen, Hunderten Rohren und Filteranlagen täglich fast 400 Millionen Liter Meerwasser aus einer benachbarten Lagune pumpen, um es in mehr als 200 Millionen Liter Trinkwasser zu verwandeln. Die Menge würde reichen, um sieben Prozent des Bedarfs der Region damit abzudecken.

Planung und Bau der Anlage haben vierzehn Jahre in Anspruch genommen. Jetzt kommt die Fertigstellung keinen Augenblick zu früh. Denn Kalifornien, vor allem der Süden, erlebt seit 2011 die schwerste Dürre seit Beginn meteorologischer Messungen, nach jüngsten Baumringstudien gar seit mehr als 1200 Jahren.

In Folge versiegen die Brunnen, der Grundwasserspiegel sinkt, immer mehr Felder, Weiden und Plantagen liegen brach. Landschaftsgärtner reißen Grasnarben heraus und streuen stattdessen Kies und setzen Wüstenpflanzen ein. Autos werden seltener gewaschen und in der Toilette wird am Wasser gespart.

In Zukunft drohen Kalifornien noch schlimmere Dürren

Doch das genügt nicht: Der kalifornische Gouverneur Jerry Brown hat Anfang April Notfallvorschriften erlassen, die verfügten, dass der Wasserverbrauch der Städte und Gemeinden weiter um ein Viertel sinken muss. Und es ist fraglich, ob das reicht. Denn in Zukunft drohen dem Sonnenstaat nach Modellrechnungen von Benjamin Cook vom Goddard Institute for Space Studies der Nasa noch schlimmere Dürren. Sie könnten nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte dauern.

Kalifornier freilich sind stolz auf ihren Pioniergeist. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts versorgten sie mit einem Netzwerk von Tunneln, Staudämmen, Reservoirs, Kraftwerken und Aquädukten den bevölkerungsreichen Bundesstaat mit Wasser. Erst so wurde es möglich, großzügige Golfplätze, Rasen und Obstplantagen, Weinberge und Gemüsefelder anzulegen. Die aktuelle Megadürre verlangt jetzt nach einer ähnlichen Wasserrevolution. Und so mehren sich naheliegende, ungewöhnliche und abwegige Vorschläge, wie man der Hitze begegnen sollte.

Nicht alle Ideen zeugen indes von Einfallsreichtum oder raffinierter Ingenieurskunst. Oft kommen längst abgelegte Einfälle aus den 1970er- und 1980er-Jahren wieder zur Sprache: Da sollen arktische Eisberge nach Süden geschleppt werden, im Winter sollen Tanklastzüge Schnee von der Nordost- an die Südwestküste der USA transportieren. Altbekannt ist auch der Gedanke, eine Pipeline von Alaska oder dem regenreichen Bundesstaat Washington nach Kalifornien zu legen.

Hoffnungen liegen auf Entsalzungsanlagen

Werden solche Szenarien auch nicht ernsthaft verfolgt, will die Regierung in Sacramento immerhin mit einem Großprojekt wieder an die alten Zeiten anschließen. Der Plan sieht vor, Wasser aus dem Norden Kaliforniens in Richtung Süden zu transportieren. Doch liegt das Delta der Flüsse Sacramento und San Joaquin dazwischen. Die von Gouverneur Brown avisierte Lösung: zwei fast fünfzig Kilometer lange, 15 Milliarden Dollar teure Tunnel unter dem Flussdelta hindurch zu bohren. Doch Umweltschützer laufen gegen den Plan seit Jahren Sturm, ein Ja gibt es für das Vorhaben bislang noch nicht.

Kein Wunder also, dass große Hoffnungen in die Carlsbader Entsalzungsanlage gesetzt werden. Ihre auch in Ländern wie Israel, Saudi-Arabien oder Australien eingesetzte Technik ist denkbar einfach: Das Meerwasser wird in mit Sand und Holzkohle gefüllten Betontanks von Schmutzpartikeln und groben Verunreinigungen befreit. Dann läuft es unter Hochdruck durch 2000 Glasfaserrohre mit Membranen, die nur Wassermoleküle durchlassen. Zurück bleibt eine salzige Brühe, die ins Meer zurück gepumpt wird.

Die San Diego County Water Authority hat sich verpflichtet, den Betreibern der Anlage, der Poseidon Resources Corporation, das Wasser 30 Jahre lang zu einem fixen Preis abzunehmen, der deutlich über dem aktuellen Marktpreis liegt. Eine Milliarde Dollar Baukosten und ein hoher Energieaufwand fordern ihren Preis.

Doch mit verbesserter Technologie sollen die Kosten langfristig fallen, etwa dank einem neuen Filtermaterial namens "Perforene", das der amerikanische Rüstungskonzern Lockheed Martin aus Graphen entwickelt. Damit soll sich das Pazifikwasser mit deutlich geringerem Energieaufwand entsalzen lassen.

Aber die Kosten sind nicht das einzige Problem. Die zurückgepumpte Salzlauge beeinträchtigt zwangsläufig das Ökosystem. Forscher wie die Meeresbiologin Carol Reeb von der Stanford University mahnen zur Vorsicht, alte Fehler nicht blind zu wiederholen. So hätten die Dämme, Aquädukte und Brunnen, die der Sonnenstaat im 20. Jahrhundert baute, dazu geführt, dass 83 Prozent aller Fischarten in kalifornischen Binnengewässern inzwischen vom Aussterben bedroht oder bereits verschwunden sind.

Trinkwasser-Recycling für zwei Millionen Menschen

Solche Bedenken halten andere kalifornische Küstenstädte vorerst davon ab, eigene Entsalzungsanlagen zu errichten. Sie setzen stattdessen zum Beispiel auf Abwasserrecycling. So fließt das Schmutzwasser der Stadt Fountain Valley in Orange County südlich von Los Angeles nach dem Klärwerk zusätzlich in eine besondere Aufbereitungsanlage. Die produziert seit 2008 dank Mikrofilterung und UV-Licht-Bestrahlung genug erschwingliches Trinkwasser, um zwei Millionen Menschen zu versorgen.

Dennoch wird es nicht direkt in die Wasserleitungen gespeist, sondern erst ins Grundwasser gepumpt. Das erneuert die lokalen Wasservorräte im Untergrund. Und die Bewohner der Region haben weniger das Gefühl, dass sie Wasser trinken müssen, das erst kürzlich eine Toilette hinab rauschte.

Wolken lassen sich nicht einfach herbeizerren

Auch unkonventionelle Methoden kommen in Betracht. So gibt es die Idee, mit Chemikalien einen hauchdünnen Schutzfilm auf Speicherseen auszubringen, um die Verdunstung zu reduzieren. In den USA werden solche auf Kokosnuss- oder Palmöl basierenden Chemikalien-Mixturen bereits bei Teichen auf Golfplätzen oder in Schwimmbecken eingesetzt.

Bei größeren Gewässern besteht jedoch die Gefahr, dass der Schutzfilm durch Wind und Wellenbewegung reißt. Dieses Problem glaubt jetzt der am Massachusetts Institute of Technology forschende Verdunstungsexperte Moshe Almaro gelöst zu haben. Wird der dünne Film vom Wind an eine Seite eines Reservoirs getrieben, soll er dort abgesaugt und auf der anderen Seite wieder aufgesprüht werden.

Mit seiner Firma More Aqua will er die Methode versilbern. Das Geschäftsmodell: Er darf das Wasser, das er vor der Verdunstung bewahrt, auf dem freien Markt selbst anbieten. In der Nähe des kalifornischen Palo Altos soll die Technik diesen Sommer getestet werden.

Eine weitere Wasserquelle liegt in der Luft. Zwar lassen sich die handelsüblichen Luftentfeuchter im trockenen Klima Südkaliforniens meist nicht einsetzen, die produzierten Wassermengen sind zu klein.

Aber mit dem Abernten von Wolken sieht es anders aus. Viele Staaten im Landesinneren und Südwesten der USA lassen seit Jahrzehnten Propellermaschinen Wolken mit Silberiodid besprühen. Der Schauer soll Regenkeime für eine beschleunigte Kondensation des Wasserdampfes liefern.

Lange Zeit stritten sich die Experten, wie effizient diese Methode sei. Doch eine im Winter 2014 abgeschlossene Studie im US-Bundesstaat Wyoming kam zu dem Ergebnis, dass Wolkenimpfen die Menge des Regenwasser um das fünf- bis 15-fache steigern kann.

Wirksamste Waffe: drastisch reduzierter Wasserkonsum

Kalifornien setzt die Technik ein, um die Schneemengen in seinen Bergregionen - vor allem der Sierra Nevada und den White Mountains - zu erhöhen. Dies führt zu einer größeren Frühjahrsschmelze. Freilich: Sind keine Wolken am Himmel, lassen sie sich auch per Flugzeug nicht herbeizerren.

So wirksam oder zumindest spektakulär all diese Mittel im Kampf gegen die Dürre sein mögen, die vorerst wirksamste Waffe wäre ein drastisch reduzierter Wasserkonsum. Das funktioniert mitunter, moralisch etwas fragwürdig, mit sozialem Druck. Eine App namens VizSafe erlaubt es etwa, Fotos von Wasserverschwendung mit Ortsangabe anonym zu posten.

Landwirtschaft verbraucht 80 Prozent des Wassers

Auch die Landwirtschaft findet sich längst im Zentrum der Kritik. So ist Kalifornien der weltgrößte Lieferant für Mandeln - doch inzwischen weiß nahezu jeder in dem US-Bundesstaat, dass jede einzelne Nuss rund vier Liter Wasser benötigt. Solche Zahlen erklären, wieso die Landwirtschaft Kaliforniens 80 Prozent des überhaupt zur Verfügung stehenden Wasser verbraucht - in Dürrezeiten keine gute Eigenwerbung.

Wohl auch deshalb versprachen Mitte Mai Farmer aus dem Sacramento-San Joaquin River Delta, den Wasserverbrauch um etwa ein Viertel zu reduzieren, indem sie ihre Felder sparsamer bewässern oder einfach brachliegen lassen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2503520
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.06.2015/mahu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.