Reisen:Tourismus richtet immer größeren Klimaschaden an

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Den größten Anteil am touristischen CO₂-Fußabdruck macht die Luftfahrt aus. (Foto: Christian Charisius/picture alliance/dpa)

Mehr Fernreisen, eine wachsende globale Mittelschicht: Der Tourismus verursacht bereits neun Prozent der globalen CO₂-Emissionen, haben Forscher berechnet – und fordern Gegenmaßnahmen.

Von Christoph von Eichhorn

Die Malediven, Mauritius, Thailand, Dominikanische Republik: Die Deutschen haben Lust aufs Reisen – und exotische Ziele stehen weit oben auf der Liste der meistgebuchten Ziele in der kalten Jahreszeit, meldete der Reiseverband DRV kürzlich. Auch Kreuzfahrten legen zu, mit einem Umsatzplus von 28 Prozent über dem vorherigen Winter.

Was Touristikunternehmen freut, belastet laut einer aktuellen Studie immer stärker das Klima. Wie Wissenschaftler um Ya-Yen Sun von der australischen University of Queensland im Fachmagazin Nature Communications berichten, verursacht der globale Tourismus mittlerweile mehr als 5,2 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO₂) pro Jahr, das entspricht 8,8 Prozent des weltweiten Treibhausgas-Ausstoßes.

Wie die Forscherinnen und Forscher anhand von Statistiken aus 175 Ländern schließen, haben die Emissionen aus dem Reisen seit 2009 im Schnitt jedes Jahr um 3,5 Prozent zugelegt – doppelt so schnell, wie das Wachstum der globalen Emissionen generell verläuft. „Wenn die gleiche Wachstumsrate in den kommenden Jahren beibehalten wird, dürften sich die touristischen Emissionen alle 20 Jahre verdoppeln“, heißt es in der Studie. Dabei hat sich die Branche in Form diverser Erklärungen und Roadmaps zum Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Dafür setzt die Tourismusindustrie vor allem auf technische Lösungen wie klimaneutrale Kraftstoffe, sogenannte „Sustainable Aviation Fuels“. Solche Effizienzgewinne fielen aber mit 0,3 Prozent pro Jahr vergleichsweise bescheiden aus, heißt es in der Studie, solche Fortschritte würden durch das hohe Wachstum des Sektors mehr als wettgemacht.

Deutschland steht in der Rangliste auf Platz vier

Den größten Anteil am touristischen CO₂-Fußabdruck macht die Luftfahrt aus, gefolgt von An- und Abreisen mit dem Privatauto. Fliegen schadet dem Klima nicht nur aufgrund der direkten CO₂-Emissionen aus der Verbrennung von Kerosin, sondern auch, weil Flugzeuge Kondensstreifen am Himmel hinterlassen, die als starke Treibhausgase wirken.

„Im Flugverkehr sehen wir seit den 1960er-Jahren praktisch nur Steigerungen“, sagt der Tourismus-Forscher Stefan Gössling von der Linnaeus Universität in Schweden, einer der Autoren der Studie. In den vergangenen Jahren sei das Flugaufkommen etwa in China sehr stark gewachsen, nun zögen auch Länder wie Indien, Brasilien oder Saudi-Arabien nach. „Überall, wo eine Mittelschicht entsteht, fliegen die Leute auch.“

Drei Viertel der Emissionen aus dem Tourismus gehen auf nur 20 Länder zurück, angeführt von den USA, China und Indien. Zwei Drittel des Wachstums der Emissionen gehen dabei global betrachtet auf Reisen im eigenen Land zurück.

Deutschland steht in der Emissions-Rangliste auf Platz vier. Hierzulande beobachte man einen deutlich höheren Anteil des Tourismus an den Gesamtemissionen als im weltweiten Durchschnitt, so Gössling. „Jede vierte Tonne CO₂, die Deutsche emittieren, ist touristisch.“ Die Ursachen lägen in einer breiten Mittelschicht, die gerne reise.

Von Appellen, weniger zu fliegen, hält Stefan Gössling wenig. Man müsse eher die Rahmenbedingungen ändern und etwa Subventionen für die Luftfahrt abbauen. Allein damit ließe sich jeder fünfte Flug vermeiden, weil Alternativen wie die Bahn dann attraktiver würden, argumentiert Gössling. In Europa sollten zudem keine Flughäfen mehr neu gebaut oder erweitert werden, fordert der Forscher. „Hier haben wir bereits ein sehr reifes Flugsystem mit einer extrem hohen Dichte an Flugbewegungen.“

Einen kleineren Anteil des CO₂-Fußabdrucks macht die Beherbergung und Verpflegung der Touristen vor Ort aus. Dieser Bereich ist zudem leichter zu dekarbonisieren, etwa indem Hotels auf erneuerbaren Strom umstellen.

Betrachtet haben die Forscher für die aktuelle Erhebung den Zeitraum von 2009 bis 2019, also vor Aufkommen des Coronavirus. „Die Covid-19-Pandemie ist das einzige Ereignis, das den Fußabdruck des Tourismus drastisch reduziert hat“, heißt es in der Studie. So fielen die Emissionen aus dem Tourismus im Jahr 2020 um drei Milliarden Tonnen. Doch der Tourismus-Sektor hat sich rasant erholt, dieses Jahr dürfte mit 20 Milliarden Reisen wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht werden. Damit der Tourismus die selbstgesteckten Klimaziele erfüllt, müssten die Emissionen dagegen jährlich um zehn Prozent sinken.

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