Süddeutsche Zeitung

Tierversuche:Quälen verboten!

Die neue EU-Richtlinie für Tierversuche verbietet allzu schmerzhafte Experimente, doch das geht manchen Tierschützern nicht weit genug. Viele Untersuchungen bleiben nämlich weiterhin erlaubt.

Florian Fuchs

Die EU schränkt Tierversuche ein und unterwirft sie strengeren Auflagen. Das Europaparlament hat am Mittwoch eine entsprechende Richtlinie verabschiedet, welche die bisherigen Regelungen aus dem Jahr 1986 ersetzt. Dem Deutschen Tierschutzbund geht die Initiative jedoch nicht weit genug. "Wir hätten uns gewünscht, dass die Richtlinie noch strenger ausgefallen wäre", sagte Irmela Ruhdel vom Deutschen Tierschutzbund der Süddeutschen Zeitung.

Der Neuregelung zufolge sind Tierversuche künftig nur noch erlaubt, wenn es keine von der EU anerkannten alternativen Testmethoden gibt. Tödliche Experimente sollen nur dann genehmigt werden, wenn die Tiere mit "geringst möglichen Schmerzen, Leiden und Ängsten" getötet werden - und wenn verwertbare Ergebnisse erzielt werden können. In der EU werden jährlich etwa zwölf Millionen Tiere zu Experimenten verwendet.

"Quantensprung für den Tierschutz"

Die Grünen stimmten gegen den Kompromiss, den die EU-Staaten innerhalb der nächsten zwei Jahre umsetzen müssen. Vertreter der Partei halten die Schutzklausel für unzureichend. Sie kritisieren unter anderem, dass Versuchstiere auch weiterhin schmerzhaften Experimenten unterworfen werden können. Sie fordern ein komplettes Verbot von Experimenten mit Primaten. Dem Kompromiss zufolge werden jedoch nur Versuche mit Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans verboten. Andere Arten wie Makaken und Totenkopfäffchen können hingegen weiter für wissenschaftliche Experimente benutzt werden, etwa zur Erforschung von Alzheimer.

Irmela Ruhdel, Fachreferentin für Tierversuche beim Deutschen Tierschutzbund lobt zwar, dass vor allem die Standards in Süd- und Osteuropa verbessert würden. Sie hegt jedoch ähnliche Bedenken wie die Grünen. "Wir hätten uns eine absolute Belastungsobergrenze gewünscht, also dass besonders grausame Experimente wie zum Beispiel jahrelange Hirnversuche an Affen verboten werden", sagte Ruhdel. Aus ihrer Sicht hätte auch die Grundlagenforschung stärker beschränkt werden müssen.

Ihrer Interpretation der Richtlinie nach können Tiere auch weiterhin für Versuche benutzt werden, ohne dass dadurch ein unmittelbarer Nutzen für Menschen, Tiere oder Umwelt absehbar sei. Elisabeth Jeggle, CDU-Abgeordnete im Europaparlament, wies die Kritik der Tierschützer zurück. Die Neuregelung bedeute einen "Quantensprung für den Tierschutz", dennoch bleibe die Verwendung von Versuchstieren zu medizinischen Zwecken in der EU erlaubt. Damit sei ein "schwieriger Spagat" gelungen.

Jeggle verwies außerdem darauf, dass nun auch ein "wirklich strenges Kontrollsystem" eingeführt werde, einschließlich unangekündigter Kontrollen. Die EU-Staaten müssen künftig sicherstellen, dass mindestens ein Drittel der Labors in ihrem Land, die Tierversuche unternehmen, jährlich inspiziert werden. Dazu sollen alle 27 EU-Länder eigene Kontrollbehörden einrichten. Die EU werde damit im weltweiten Vergleich beim Tierschutz Spitzenreiter, erklärte der für Gesundheit zuständige EU-Kommissar John Dalli.

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SZ vom 09.09.2010/ebc/mel
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