Tierschutz in Südamerika:"Ein Kondor im Kochtopf"

Der größte flugfähige Vogel der Welt ist extrem selten geworden. In Ecuador versuchen nun Wissenschaftler mit Unterstützung aus Deutschland den Andenkondor zu retten.

Oliver Hölcke

Hübsch ist er nicht gerade, aber imposant. Mit einer Flügellänge von 3,5 Metern ist der Andenkondor (Vultur gryphus) furchteinflössend und majestätisch. Das hat ihm vermutlich auch den Status als Nationalvogel und Wappentier in den vier südamerikanischen Staaten Ecuador, Kolumbien, Bolivien und Chile eingebracht.

Kondor

Die Gründe für die rapide Abnahme der Andenkondor-Population sind noch immer nicht genau geklärt.

(Foto: Oliver Hölcke)

Die Liebe der Nationen reicht jedoch nicht, ihn vor der Gefahr zu bewahren, auszusterben - auch wenn inzwischen diverse nationale und binationale Programme versuchen, ihn zu schützen. Jedes Jahr ziehen immer weniger Kondore ihre großen Kreise am Andenhimmel.

Im kleinsten Andenstaat Ecuador etwa leben derzeit noch 40 bis 50 Exemplare. Vor 15 Jahren waren es nach offiziellen Zählungen noch ungefähr 70. Die Gründe für das rapide Aussterben der Tiere sind nicht genau geklärt.

"Lange hat man geglaubt, es läge am mangelnden Futter, dass die Tiere immer weniger werden", sagt Joep Hendriks, Direktor der Cóndor-Stiftung, die ihren eigenen Park am Fuße des erloschenen Vulkans Imbabura rund 100 Kilometer nördlich der Hauptstadt Quito eingerichtet hat. "Doch nach umfangreichen Beobachtungen kann das nicht der Fall sein, es gibt in der Region genügend Aas für den Vogel." In dieser Andenregion hat man mit rund 30 Exemplaren die meisten Kondore in Ecuador gezählt und auch zwei Nester gefunden.

Hendriks führte diverse Umweltbildungsworkshops mit Kindern der Umgebung durch. Da hörte er so erstaunliche Sätze wie "meine Tante hatte mal einen Kondor im Kochtopf".

Natürlich kann die Phantasie eines Kindes schon mal aus einer Taube einen Kondor machen. Aber es wurden auch verletzte Tiere mit Schrotkorn und mit kleinkalibrigen Kugeln im Körper aufgefunden. Allerdings "auch nicht so häufig, das man dies als Ursache sehen könnte", wie Hendriks meint.

Jetzt haben die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und die deutsche Botschaft in Ecuador zusammen mit dem Umweltministerium und anderen Institutionen ein umfassendes Schutzprojekt gestartet. Es soll direkt den Kondor, aber auch sein Ökosystem schützen und vor allem die Bevölkerung aufklären und ökonomisch unterstützen.

Als Start für das neue Projekt wurde in der Nähe des Gipfels des Vulkans Imbabura eine Futterstelle für den Kondor eingerichtet. Sie soll gleichzeitig Schutzraum, aber auch Beobachtungsplatz werden, an dem Forscher das Verhalten der Tiere ergründen können.

Bis zu fünf weitere Futterstellen sind geplant, die nach einem bestimmten System mit Aas bestückt werden, um den Futtersuchzwang der Tiere nicht zu beeinflussen. Vom Ministerium kam zudem die Erlaubnis, Kondore zu fangen, um an ihnen einen Sender anzubringen und ihre Flugrouten zu verfolgen. Dabei wird ein Veterinär die Tiere untersuchen.

Weitere Feldarbeit soll dann außerdem an den Vulkanen Cotopaxi und Antisana unternommen werden. Geplant ist zudem, eine Kamera an der Futterstelle anzubringen, um die Vögel auch im Internet beobachten zu können.

"Immense Symbolkraft für das Land"

Das ecuadorianische Umweltministerium beteiligt sich an dem Projekt, "weil der Kondor eine immense Symbolkraft für das Land hat und weil er ein Indikator für ein intaktes Ökosystem ist", sagt der Regionaldirektor des Umweltministeriums Segundo Fuentes. Gemeinsam mit der GTZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wird man daher einen Antrag auf die Einrichtung eines Naturschutzreservat für dieses Gebiet auf den Weg bringen, um auch die unmittelbare Umgebung zu schützen.

Für Peter Linder, den neuen deutschen Botschafter in Quito, der seinen ersten Projektbesuch zum Kondorpark machte, ist es daher auch besonders wichtig, "dass durch dieses Projekt ein Beitrag zum Erhalt der Biodiversität geleistet und damit insbesondere auf die Verletzbarkeit des Kondors aufmerksam gemacht wird".

Große Teile des zukünftigen Naturschutzgebietes werden allerdings noch landwirtschaftlich genutzt. Ein Ausbildungsprogramm zu ökologisch nachhaltiger Landwirtschaft richtet sich daher an die Landwirte, die bislang eher konventionell mit Kunstdünger und Pflanzenschutzmitteln ihre Felder bewirtschaften und damit zur Verunreinigung des Wasser beigetragen haben.

In dieser Zone gibt es bis zu 35 Quellen, aus denen nicht nur die Bewohner aus der unmittelbaren Umgebung, sondern auch die Städter ihr Wasser beziehen. "Wir müssen die Leute auch darüber aufklären, woher das Wasser eigentlich kommt, wie es verunreinigt wird und damit auch für die im Dorf auftretenden Krankheiten verantwortlich ist" sagt Miriam Factos, die Projektleiterin der GTZ.

Es werden Workshops durchgeführt, in denen es um Umweltbildung geht und auch das unsägliche Vorurteil ausgeräumt werden soll, dass der Kondor lebende Tiere reißen würde. Außerdem will man mehr darüber wissen, wie die Menschen über den Kondor denken, ob sie ihn tatsächlich schießen oder aus den Nestern holen und welche kulturhistorischen Überlieferungen sie über ihn kennen.

Die Gemeindebewohner werden in das Projekt, das auf zwei Jahre angesetzt ist, einbezogen. "Diese Gegend ist strategisch wichtig, aber es existiert noch kein Bewirtschaftungsplan. Den werden wir gemeinsam mit den Kommunen und der Provinzverwaltung erarbeiten", sagt Miriam Factos.

Es fanden sich bereits Dorfbewohner, die im Rahmen des Hilfsprojekts "Minga" den steilen Weg hin zur Futterstelle begehbar machten. Für mindestens ein Jahr wird auch eine Person dafür bezahlt, die Futterstelle in Ordnung zu halten.

Die Provinz Imbabura ist bekannt für ihre wunderschönen Seen und einen gut funktionierenden Ökotourismus. Doch der wirtschaftliche Aufschwung kommt rund um den Vulkan Imbambura nicht so recht an. Die GTZ will daher durch das Kondorschutzprogramm auch den umweltverträglichen Tourismus stärken, der letztendlich den Einwohnern zugutekommt.

Der Autor ist Mitarbeiter der GTZ Ecuador.

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