Süddeutsche Zeitung

Tierschutz:Fisch-Dummys

Lesezeit: 2 min

Um Wasserkraftwerke zu testen, müssen bislang Fische sterben. Roboterfische sollen die Tierversuche nun überflüssig machen.

Von Lena Hummel

Es ist ein Dilemma: Rund 16 Prozent des weltweit erzeugten Stroms stammen aus Wasserkraftwerken, mehr als aus Windkraft, Photovoltaik und Biomasse zusammen. Doch viele Anlagen können - neben anderen ökologischen Problemen - für Fische zur Todesfalle werden. Um herauszufinden, wie Fische die Turbinen passieren und wie tierfreundlich die Anlagen sind, braucht es bislang Tierversuche mit Fischen. Wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg arbeiten seit Kurzem an einer Alternative: Roboterfische, die anstelle lebender Tiere für Versuche eingesetzt werden sollen.

In den kommenden drei Jahren wollen der Projektleiter Stefan Hörner und sein Team elektronische Ersatzfische entwickeln, die mithilfe von Sensoren Druck und Beschleunigung innerhalb der Turbinen aufzeichnen. "Sollten die Fische einen Schlag bekommen, hoffen wir, dass sie im hinteren Teil getroffen werden. Dann fällt zwar der Schwanz ab, die Daten, die im vorderen Teil gespeichert sind, bleiben aber erhalten", sagt Hörner. Es sei ein Irrglaube, dass die Tiere in den Turbinen zerhäckselt würden. Viel häufiger seien Druckunterschiede die Todesursache.

Die Wissenschaftler verfolgen mit ihrem Projekt, das mit 1,4 Millionen Euro vom Bund gefördert wird, zwei Ziele. Einerseits wollen sie mithilfe der Daten besser vorhersagen, wie gefährlich Wasserkraftwerke für Fische sind. Zwar sind Systeme für den Fischschutz an Wasserkraftwerken europaweit vorgeschrieben. Laut Hörner sind diese aber häufig nicht voll funktionsfähig. Auch fehlten geeignete Alternativen für die Wanderung stromabwärts, sodass noch immer sehr viele Fische den Weg über die Turbinen in das Unterwasser nehmen, was oft tödlich endet.

Andererseits will das Team den Einsatz lebender Fische für solche Gutachten kurzfristig reduzieren und langfristig komplett vermeiden. 2015 wurden an deutschen Wasserkraftwerken Tierversuche mit rund 450 000 Fischen genehmigt, wie Dokumente in der Datenbank zu Tierversuchsvorhaben in Deutschland am Bundesinstitut für Risikobewertung belegen. "Daraus geht aber nicht hervor, ob die Tiere tatsächlich alle für die Versuche eingesetzt wurden", sagt Gilbert Schönfelder, Abteilungsleiter für Experimentelle Toxikologie sowie Leiter des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren am Bundesinstitut für Risikobewertung.

Die Antragsteller argumentieren häufig, dass das Schwimm- und Fluchtverhalten der Fische, ihre Körperform sowie die Eigenschaften von Schleimhaut und Schuppen nicht zufriedenstellend nachgebildet werden könnten. Zur Prüfung der Fischverträglichkeit von Wasserkrafttechnologien könne daher auf lebende Fische nicht verzichtet werden. Mit den Magdeburger Roboterfischen könnte sich das ändern. Mit einer Einschränkung: Um arttypisches Verhalten der Fische durch Roboter möglichst realitätsgetreu abzubilden, setzt auch das Team um Stefan Hörner mit Sensoren ausgestattete lebende Fische in Testläufen ein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4553747
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.