Süddeutsche Zeitung

Tiermedizin:Gut gekühlte Schildkröte

Wohin mit Schildkröten im Winter? Im Garten ist es zu kalt, in der Wohnung zu warm. Tiermediziner kennen den besten Ort.

Von Tanja Warter

Schildkröten sind wechselwarme Tiere, sie haben also keine konstante Körpertemperatur, und auch ihr Energiehaushalt ist abhängig von der Umgebungstemperatur. Kühlt es im Herbst ab, sinkt auch der Appetit, und sie ziehen sich langsam zurück - es wird Zeit für den Winterschlaf. Findet die Schildkröte im Garten eine weiche Stelle, wird sie sich eingraben. Doch im deutschen, unbeständigen Winter ist das keine ideale Lösung für das Reptil, das sich vor rund 200 Millionen Jahren entwickelt hat.

Gefahr Nummer 1: Pendelt sich die Außentemperatur nach dem Einschlafen bei etwa acht Grad ein, fällt das Tier in eine Art Schwebezustand zwischen Wachen und Schlafen. Das kann zu einem Riesenproblem werden, denn die halb schlummernde Schildkröte verbraucht mehr Energie als im tiefen Schlaf, frisst aber nichts. Und selbst wenn sie sich ausgräbt und ein paar Salatblätter verputzt, nutzt es ihr nichts, denn auch der Magen-Darm-Trakt mit seinen Mikroorganismen ist auf Pause eingestellt. Ist es im Winter zum Schlafen zu warm und zum vollständigen Aufwachen zu kühl, droht das Tier also zu verhungern - eine der häufigsten Todesursachen der in Mitteleuropa gehaltenen Schildkröten.

Gefahr Nummer 2: Es wird zu kalt. Unterhalb von drei Grad Celsius drohen Erfrierungen. In Deutschland sind solche Werte im Winter alltäglich.

Gefahr Nummer 3: Feinde oder Neugierige. Dazu zählen Ratten und Hunde, die schlafende Schildkröten ausbuddeln, mit ihnen spielen, sie sogar anknabbern oder totbeißen.

Der Winterschlaf im Freien ist daher eine gefährliche Sache. Und ein Keller ist nur dann eine Alternative, wenn es in den Räumen auf Dauer nicht zu warm wird.

Die Schildkröte auf der Küchenwaage

Der überraschende Tipp aus der Tiermedizin: Winterschlaf im Kühlschrank! Richtig eingestellt gewährleistet das Haushaltsgerät eine konstante Temperatur von sechs Grad. Ab und zu Tür auf und Licht an stört die Tiere nicht weiter. Der Kühlschrank garantiert Schutz vor Feinden und hat einen weiteren entscheidenden Vorteil: Einmal pro Monat kann man die Schildkröte herausnehmen und auf die Küchenwaage legen. Mehr als zehn Prozent ihres ursprünglichen Körpergewichts sollte sie bis zum Ende des Winters nicht verlieren. Eine bessere Kontrolle gibt es nicht.

Und keine Sorge, während des Winterschlafs sind Schildkröten stubenrein. Wer die lebenden Reptilien trotzdem nicht im Gemüsefach oder zwischen Wurst und Butter haben mag, kann sich ein Extramodell im Miniformat für den gepanzerten Liebling anschaffen. In die beheizte Wohnung sollte man die Schildkröte hingegen nicht mitnehmen. Dort würde sie zwar auf ihren Winterschlaf verzichten, es drohen aber Entwicklungsstörungen.

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Quelle:
SZ vom 21.08.2015
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