Tierhaltung:Wie Rindfleisch dem Klima schadet

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950 Millionen Rinder werden weltweit gehalten - und erzeugen etwa doppelt so viele Treibhausgase wie der gesamte Flugverkehr. Aktivisten behaupten, das ließe sich mit der richtigen Haltungsform vermeiden. (Foto: Carsten Rehder/dpa)

Einige Aktivisten behaupten, Kühe auf der Weide könnten die globale Erwärmung aufhalten. Dabei ist die Klimabilanz von Rindfleisch meistens verheerend.

Von Christoph Behrens

Die Sache mit Ursache und Wirkung sei manchmal nicht so einfach, erklärt der Autor des Beitrags "Kohlenstoff, Rinder und schützende Weidehaltung". Zum Beispiel was die Rinder angehe. Da könne man nicht einfach sagen, dass die Haltung der Tiere Treibhausgase verursache und zum Klimawandel beitrage. In Wahrheit sei die Sache deutlich komplizierter. Nämlich eher anders herum. "Tatsächlich könnten Wiederkäuer sogar der Schlüssel sein, ein Nahrungsmittelsystem zu entwickeln, das den Einfluss so vieler Treibhausgase in der Atmosphäre umkehrt." Also, verkürzt gesagt: Der Konsum von Rindfleisch könne den Klimawandel am Ende sogar bremsen.

Rinder als Klimaretter? Diese Erzählung wird auf der Webseite der US-Landwirtschaftsorganisation "Land Stewardship Project" gepflegt. Dabei ist die Sache eigentlich ziemlich eindeutig: Alle rund 950 Millionen Rinder, die weltweit gehalten werden, belasten das Klima mit gewaltigen Mengen Treibhausgasen, umgerechnet rund fünf Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr. Diese Zahlen hat die Welternährungsorganisation FAO berechnet. Damit verursacht die Rinderhaltung zehn Prozent aller menschengemachten Treibhausgase, doppelt so viel wie der weltweite Flugverkehr.

Rinder sind deshalb so schädlich für das Klima, weil sie beim Wiederkäuen große Mengen Methan in ihren Mägen erzeugen. Ein potentes Treibhausgas, das vorne und hinten aus den Kühen in die Atmosphäre strömt. Daher ist Fleisch von Wiederkäuern deutlich belastender für das Klima als etwa Schweinefleisch oder Hühnchen. Um die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, wie es das Pariser Klimaschutzabkommen verlangt, wäre deshalb Maßhalten angesagt beim Verzehr von Rindfleisch und der Haltung der Tiere.

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Doch Organisationen wie das Land Stewardship Project zweifeln diese Sichtweise offen an. Ihre Argumentation geht vereinfacht gesagt so: Ja, die Rinderhaltung ist in der derzeitigen Form eine große Bürde für die Umwelt - wegen der intensiven Haltung von Rindern auf engem Raum, dem Einsatz von Kraftfutter und Düngemitteln, dem anfallenden Kuhmist. Aber durch die richtige Haltung ließen sich die Effekte neutralisieren oder sogar umkehren. Der Schlüssel sei, die Rinder "raus aufs Land" zu lassen, um dort zu weiden. Dort würden sie dann zu einer Art Landschaftspfleger. Beim Grasen würden Kühe das Pflanzenwachstum ankurbeln, den Boden umgraben und düngen, was gesunden Humus erzeuge. Insgesamt führe das dazu, dass Weidewiesen Treibhausgase aus der Luft im Boden binden könnten und so zu CO₂-Senken würden. Viele Befürworter der Weidehaltung sehen in grasenden Kühen also Bewahrer von Land und Luft.

Es klingt aber auch zu schön: Mehr Rinder, mehr Fleisch, mehr Profit, mehr Klimaschutz

Britische Forscher des "Food Climate Research Network", unter anderem von den Universitäten Aberdeen, Cambridge und Oxford, haben die Behauptungen der "Grazing"-Bewegung nun umfassend untersucht. Die kürzlich veröffentlichte Studie mit dem Titel "Grazed and Confused" entlarvt viele der Versprechen als haltlos. Vor allem die Einlagerung von CO₂ in den Boden halten die Autoren für maßlos übertrieben. Zwar könnten Weiden bei richtiger Bewirtschaftung Treibhausgase binden. Doch sei der Effekt sehr klein, zeitlich beschränkt und könne sich auch ins Gegenteil verkehren. Trampeln zu viele Tiere auf den Weiden herum oder ist es zu trocken, kann sich der Boden rapide verschlechtern - und der gespeicherte Kohlenstoff entweicht in die Atmosphäre. Schlechtes Weidemanagement und die Übernutzung von Grasflächen komme weltweit sehr häufig vor, warnen die Forscher.

Überlagert werde die CO₂-Speicherung außerdem vom massiven Treibhausgas-Ausstoß der Rinder, den die Anhänger der Weidehaltung teilweise klein rechnen oder für das Klima als unbedeutend erachten. Das Argument dahinter: Methan sei zu kurzlebig, um sich lange in der Atmosphäre zu halten. Das sei zwar prinzipiell richtig, schreiben die britischen Klimaforscher, doch solange die Quelle der Treibhausgase, also die Vielzahl der Rinder, bestehen bleibe, sei der erwärmende Effekt permanent hoch. "Mit Gras gefütterte Nutztiere sind keine Lösung für das Klima", erklärte Tara Garnett von der Universität Oxford bei der Veröffentlichung der Studie. "Sie tragen zum Klimaproblem bei, so wie alle Nutztiere." Vielversprechender, als auf Weideland zu setzen, sei es hingegen, weniger Rinder zu züchten und weniger Fleisch zu essen.

Ist die Debatte damit also beendet? Mit Sicherheit nicht. Neben dem Land Stewardship Project trommeln eine ganze Reihe ähnlicher Organisationen und Aktivisten für die Weiderinder als Lösung für den Klimawandel, mit Blogbeiträgen, auf Konferenzen oder in Videos. Ein Ted-Talk zu dem Thema mit dem Titel "Wie man die Wüstenbildung bekämpft und den Klimawandel umkehrt" wurde mehr als vier Millionen Mal aufgerufen. In dem Vortrag erklärt der selbsternannte Ökologe Allan Savory, Kühe lieferten Anlass für "mehr Hoffnung, als ihr euch vorstellen könnt". Es gebe nur noch eine Option, um das Klima zu retten und die Wüsten der Welt wieder zu begrünen: die Weidehaltung von Wiederkäuern massiv auszuweiten.

Mit dem nach ihm benannten Savory Institute arbeitet der Landwirt nun daran, die Idee weltweit zu verbreiten. Das Institut behauptet, bei einem großflächigen Wechsel zur Weidehaltung würden in den nächsten 40 Jahren 500 Milliarden Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre entfernt - genug, um fast alle Emissionen seit Beginn der Industrialisierung wieder einzufangen. Atemberaubende Zahlen, die durch keine seriösen Daten gestützt werden können.

Die amerikanische Umweltorganisation Sierra Club nennt die Idee ironisch eine "Win-win-Vision": mehr Rinder, mehr Hamburger, mehr Profit für die Fleischindustrie - aber auch mehr Klimaschutz. Nebenbei wäre es natürlich äußerst bequem für Konsumenten, müssten sie ihren Fleischverzehr doch überhaupt nicht hinterfragen.

Für die Forscher des "Food Climate Research Network" ist die Forderung nach einer Ausweitung der Weidehaltung der schädlichste Aspekt der ganzen Debatte. Denn eine Expansion der Weiderinder hätte in ihren Augen vermutlich gravierende Auswirkungen auf die Oberfläche der Erde. Schon heute belegen alle Wiederkäuer zusammen etwa ein Viertel der weltweit landwirtschaftlich nutzbaren Fläche. Bei einer Expansion des Weidelands müssten große Waldflächen abgeholzt werden, vor allem in Südamerika.

Umweltbewusste Kunden sollten Fleisch aus der Umgebung kaufen oder ganz auf Steaks verzichten

Die ideologisch getriebene Debatte verstellt zudem den Blick darauf, dass Weidehaltung in Einzelfällen tatsächlich nachhaltiger sein kann. "Auf manchen Flächen ist es kaum möglich, beispielsweise Gemüse anzubauen", sagt Peter Manning, der am Senckenberg-Biodiversität-und-Klima-Forschungszentrum zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und Landwirtschaft forscht. Auf solchen Weiden sei es unter Umständen ökologisch sinnvoll, Rinder grasen zu lassen. "Aber dieses Modell global auszuweiten, ist unmöglich", sagt Manning. Dass eine richtige Haltung von Kühen den Treibhausgasausstoß zumindest reduzieren kann, ist auch durch Studien belegt. So ergab eine Untersuchung der TU München bei Pilotbetrieben in Deutschland, dass Weidegras bei der Haltung von Milchkühen energieeffizienter ist. Vor allem Biolandwirte haben laut der Studie einen geringeren Klimafußabdruck, da sie meist auf energieintensives Soja im Futter verzichten.

Zum Gewinn fürs Klima werden Rinder damit allerdings nicht. Peter Manning rät umweltbewussten Konsumenten, vor allem Rindfleisch zu kaufen, das regional produziert wurde. Denn in Europa seien die meisten Flächen für die Rinderhaltung meist schon vor langer Zeit angelegt worden - die Wahrscheinlichkeit, dass für das Steak Wald gerodet wurde, sei so also geringer als etwa bei Fleisch aus Südamerika. Auch Fleisch von Rindern, die auf der Weide gegrast haben, sei in Europa prinzipiell zu empfehlen. Am effektivsten für das Klima sei aber, den eigenen Fleischverzehr einzuschränken. "Nicht jeden Tag Fleisch essen, das würde den Klima-Fußabdruck ungemein senken."

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© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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