Tierhaltung:Im Schweine-System

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Landwirte halten mehr Schweine

Schweine wollen wühlen, grasen, erkunden. Können sie den natürlichen Verhaltensweisen nicht nachgehen, entwickeln sie verstörende Angewohnheiten.

(Foto: dpa)

Ferkel werden mit den Schlachtüberresten von Artgenossen gefüttert, Muttersauen über Wochen mit Metallbügeln fixiert und Eber beißen sich gegenseitig blutig - über die Konsequenzen einer industrialisierten Tierproduktion.

Von Hilal Sezgin

Das Schwein ist eine hoffnungslose Tierart. Der Eindruck entsteht jedenfalls, wenn man die Forschung zur Schweinezucht verfolgt, deren Ergebnisse sich in landwirtschaftlichen Fachmagazinen niederschlagen. Sauen erdrücken die eigenen Ferkel, Ferkel zerbeißen den Müttern die Gesäuge, später kämpfen sie miteinander und knabbern einander die Schwänze ab. Zuchtsauen haben Fruchtbarkeitsprobleme, und Masteber beißen einander in die Penisse. Beim Schwein liegt anscheinend alles im Argen, und all dem soll in diversen Forschungsanstalten auf den Grund gegangen werden, damit der Landwirt gegensteuern kann.

Ständig ist man auch auf der Suche nach neuem, verbessertem Futter. So wurde jüngst ein neues Ferkelfutter auf den Markt gebracht und von inzwischen zwei Forschungsinstituten getestet, das aufgespaltenes Protein aus der Darmschleimhaut geschlachteter Schweine enthält.

Das hört sich nicht appetitlich an, und es sieht auch nicht appetitlich aus: Fotos vom Herstellungsprozess zeigen Arbeiter mit Plastikhaube und Schürze, die mit den Gummistiefeln in großen Lachen gelblicher Brühe stehen, während sich die Därme in einem undefinierbaren Fleischbrei verheddern. Doch die Ferkel werden heutzutage mit meist drei, teilweise vier Wochen von der Mutter abgesetzt, und das Futter, das die Sauenmilch ersetzen soll, muss nun einmal genug Protein enthalten.

Warum aber können Ferkel nicht länger bei den Müttern trinken? Auch in der Natur säugt die Sau schließlich nicht drei Wochen, sondern drei Monate. Dieser Einwand ist Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wohlbekannt. Seiner Meinung nach berücksichtigt man dabei aber nur die Interessen der Ferkel, nicht der Sauen.

"Aus Sicht des Ferkels mag eine längere Säugezeit besser sein, vier- oder fünfwöchige Säugezeiten sind allerdings für die Muttersauen nicht so gut, da dann die Gefahr von Infektionen und Euterentzündungen steigt. Es gibt Praxisbeispiele, wo das Gesäuge der Sauen am Ende der langen Aufzuchtphase regelrecht zerfleischt ist, da die Ferkel mit ihren scharfen Zähnen der Muttersau massiv zusetzen."

Dazu muss man wissen, dass sich das Hausschwein (Sus scrofa domestica) und das Wildschwein (Sus scrofa) voneinander zwar in Farbe, Fell und Statur unterscheiden, dass ihr Verhaltensrepertoire aber fast identisch ist. Dies zeigten Untersuchungen an extensiv gehaltenen Hausschweinen sowie an verwilderten Schweinen, die einem Stall oder, wie 1959 in dem australischen Namadgi-Nationalpark, einem LKW entkommen sind.

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