Süddeutsche Zeitung

Rekorde:Welche Tiere wandern am weitesten?

  • Rentiere, Wölfe und Karibus wandern von allen Säugetieren am weitesten. Das hat eine Auswertung von Wissenschaftlern ergeben.
  • Häufig geht es bei den Tierwanderungen um die Suche nach Nahrung oder Partnern.
  • Der Klimawandel erschwert einigen Arten das Fortkommen.

Von Tina Baier

Viele Lebewesen auf der Erde sind ständig in Bewegung - auf der Suche nach Nahrung, Wasser oder einem Partner für die Paarung. Das Gewusel ist schwer zu überblicken, und obwohl große Tierwanderungen zu den auffälligsten Naturphänomenen überhaupt gehören, ist erstaunlich wenig über sie bekannt. Ein Team um den amerikanischen Zoologen Kyle Joly ist jetzt der Frage nachgegangen, welche Land-Säugetiere die weitesten Strecken zurücklegen. Die Wissenschaftler werteten sämtliche Studien aus, die sie zu dem Thema finden konnten und ergänzten sie mit Daten aus eigenen Untersuchungen. Heraus kamen die Top Five der Langstreckenläufer (veröffentlicht in Scientific Reports).

Auf den fünften Platz schaffte es überraschenderweise der Tschiru (Pantholops hodgsonii), auch bekannt als Tibetantilope. Die Weibchen dieser rehgroßen Tiere schließen sich nach der Paarung zu großen Herden zusammen und wandern von Tibet in die chinesischen Provinzen Xinjiang und Qinghai. Dabei legen sie jedes Jahr im Schnitt 700 Kilometer zurück. Das ist mehr als die 650 Kilometer pro Jahr, die die wesentlich bekannteren Streifengnus in der Serengeti wandern. Mit etwa 300 Kilometern pro Jahr landeten die amerikanischen Gabelböcke mit ihren spektakulären Wanderungen im unteren Bereich der Liste.

Auf den vierten Platz kam der Maultierhirsch (Odocoileus hemionus). Eine Gruppe dieser in den USA heimischen Tiere wandert jeden Sommer von Wyoming nach Idaho und legt dabei etwa 772 Kilometer zurück. Dass sie dabei zwei Highways überqueren müssen, hält die Tiere nicht von ihrer Langstrecke ab.

Den dritten Platz belegte ein Rudel Wölfe aus den kanadischen Nordwest-Territorien. Die Tiere laufen jedes Jahr durchschnittlich 1016 Kilometer, weil sie ihrer Beute folgen. Wölfe sind die einzigen Raubtiere, die es in die Top Five der Langstreckenläufer geschafft haben. Die Wissenschaftler berichten zudem von einem einzelnen Ausnahmewolf aus der Mongolei, der in einem Jahr 7247 Kilometer zurückgelegt haben soll.

Viele Kälber der Rentiere sterben im Eiswasser

Auf den zweiten Platz kamen Rentiere von der russischen Taimyr-Halbinsel, die den Zoologen zufolge jedes Jahr eine Distanz von 1200 Kilometern wandern. Im arktischen Frühjahr ziehen sie mit ihren frisch geborenen Kälbern aus der bewaldeten Taiga nach Norden in die Tundra. Im Jahr 2000 gab es nach Angaben der Tierschutzorganisation WWF noch etwa eine Million wilder Rentiere auf Taimyr. Inzwischen sollen es nur noch etwa 380 000 sein. Früher konnten die Rentiere auf ihrer Wanderung die zugefrorenen Flüsse einfach überqueren. Wegen der Klimakrise taut das Eis mittlerweile aber früher, so dass sie ständig durch Eiswasser schwimmen müssen. Viele Kälber schaffen das nicht und verenden. Der Hauptgrund für die starke Dezimierung sind aber Wilderer, die es vor allem auf die Geweihe abgesehen haben.

Die Goldmedaille im Langstreckenlauf steht den Karibus zu. Diese Tiere gehören wie die Rens zur Art Rangifer tarandus, sind aber etwas größer und langbeiniger. Karibus gelten schon lange als die besten Marathonläufer unter den Säugetieren. Allerdings beruhte diese Einschätzung auf einer einzigen Studie, die jetzt durch die aktuelle Untersuchung bestätigt wurde. Sowohl die Karibus in den Nordwest-Territorien, als auch die in Alaska wandern demnach jedes Jahr 1350 Kilometer weit. Das ist weiter als die Strecke von München nach Neapel.

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