Augen zu:Immer rumort einer herum

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Zwei Mantelpaviane entspannen im Berliner Zoo. (Foto: Paul Zinken/dpa picture alliance)

Enten, Paviane, Erdmännchen: Viele Tiere dösen im Rudel, und auch bei Menschen ist das private Schlafzimmer eine recht neue Erfindung. Was für das gemeinsame Schlummern spricht – und welche Nachteile es hat.

Der Mensch liegt heutzutage meist allein oder höchstens zu zweit im Bett. Bei vielen Tierarten dagegen ist Gruppenkuscheln angesagt. Untersucht ist das bisher wenig, obwohl sich dabei interessante Eigenheiten auftun, wie Verhaltensforscher nun im Fachjournal Trends in Ecology & Evolution erläutern. Hummeln zum Beispiel unterdrücken ihren Schlaf, wenn ihr Nachwuchs anwesend ist. Anubispaviane schlafen in größeren Gruppen weniger. Und Erdmännchen haben festgelegte Schlaftraditionen: Unterschiede in der Schlafzeit benachbarter Gruppen können über Generationen hinweg bestehen bleiben.

Stockentenweibchen wiederum sind in Ruhezeiten weniger wachsam, wenn mehr Männchen zu ihrer Gruppe gehören. Offenbar verlassen sich die Tiere darauf, dass mögliche Räuber eher hinter den Erpeln her sind: Denn diese würden aufgrund ihres kontrastreicheren Gefieders stärker auffallen, wie die Wissenschaftler um Pritish Chakravarty und Margaret Crofoot vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie und der Universität Konstanz erläutern. Bei den Vögeln zeigt sich zudem ein besonderes Phänomen: der Halbseitenschlaf. Dabei schlummert eine Gehirnhälfte, während die andere wach und aufmerksam bleibt. Auch bei Delfinen und anderen Arten gibt es dieses Phänomen.

Vielfach müssten Tiere beim Nickerchen in Gruppen abwägen, heißt es in dem Beitrag: Zügelpinguine beispielsweise seien am Rand einer Schlummergruppe einem höheren Risiko ausgesetzt, von Raubtieren angegriffen zu werden. Weit in der Mitte aber gebe es das Risiko, von Artgenossen attackiert zu werden.

In Schlafstudien werden meist einzelne, isolierte Tiere beobachtet

Der sozialen Seite des Schlafs müsse in der Forschung mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, sind die Forschenden um Chakravarty und Crofoot überzeugt. Bisher würde in Schlafstudien meist nur jeweils ein Tier unter Laborbedingungen beobachtet. Die Aussagekraft der Studien sei deshalb eingeschränkt. Auch deshalb, weil Schlaf in natürlicher Umgebung eine andere Dauer als in Gefangenschaft haben und sich sogar vom Tages- zum Nachtschlaf verschieben könne.

Moderne Technik mache inzwischen die detaillierte Überwachung von Gruppen in freier Wildbahn möglich, das gelte es verstärkt zu nutzen. Denn sehr wahrscheinlich würden Schlüsselaspekte des Gruppenverhaltens einschließlich der Koordination, Entscheidungsfindung und des kooperativen Verhaltens durch den Schlaf der Mitglieder beeinflusst. Interessant zu ergründen sei auch, wie stark gekoppelt die Abläufe im Gehirn zusammen schlummernder Individuen seien.

Doch warum schlafen Tiere überhaupt in Gruppen, obwohl es dann häufig mal nächtliches Gerangel oder gar einen Hieb vom Nachbarn gibt? Ein Vorteil sei die bessere Auswahl sicherer Schlafplätze durch soziale Entscheidungsfindung, erläutert das Team um Chakravarty und Crofoot. Zudem könnten einzelne Tiere dann Wache halten und die Gruppe vor Raubtieren warnen. Teils werde durch das wärmende Kuscheln auch viel Energie gespart.

Potenzielle Nachteile zeigten den Forschenden zufolge unter anderem Analysen bei Anubispavianen: Je größer die Gruppe, desto größer ist bei ihnen der Schlafentzug durch nächtens rumorende Artgenossen. Gerade unter kalten, regnerischen Bedingungen komme es zu einem anhaltenden Gerangel um günstige Schlafstellen. Bei Japanmakaken störe die Wachsamkeit eines Individuums oft den Schlaf der anderen Mitglieder.

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Prinzipiell gebe es bei Dauer, Struktur und den Abläufen im Gehirn immense Schlafunterschiede zwischen und auch innerhalb von Arten, erläutern die Forschenden weiter. „Warum Tiere auf so unterschiedliche Weise schlafen, bleibt ein Rätsel.“

Einige Männchen unterdrücken ihren Schlaf, um sich häufiger paaren zu können

Großen Einfluss auf den Schlaf hat demnach unter anderem das Liebesleben. Männliche Flussuferläufer zum Beispiel unterdrücken während der Paarungszeit wochenlang den Schlaf und auch männliche Fruchtfliegen schlummern nicht mehr, wenn sie sich mit Weibchen paaren. Von männlichen Breitfuß-Beutelmäusen ist bekannt, dass sie wochenlang teils mehrere Stunden Schlaf pro Nacht opfern, um mehr Zeit für Paarungen zu haben. Bei den Weibchen bleibt die Schlafzeit dagegen unverändert, wie Forschende im Fachjournal Current Biology berichteten. Die Beutelmäuse haben allerdings auch allen Grund, ihre Prioritäten so zu setzen: Sie erleben nur eine Paarungszeit, danach sterben sie. Währenddessen paaren sie sich mit so vielen Weibchen wie nur möglich. Warum die Männchen nach dieser dreiwöchigen Phase im Alter von nur etwa einem Jahr sterben, ist den Forschenden zufolge unklar. Am Schlafmangel liege es vermutlich nicht.

Die Tierwelt hält etliche weitere besondere Schlaf-Facetten bereit: Manche Vögel wie Fregattvögel und Mauersegler schlummern im Fliegen, arktische Rentiere während des Wiederkäuens, wie Studien zeigten. Zügelpinguine wiederum schlafen im Schnitt nur rund vier Sekunden, aber dafür mehr als 10 000 Mal pro Tag. Und Seeotter halten sich an den Pfötchen, wenn sie auf dem Rücken im Wasser liegend ein Nickerchen machen – damit sie währenddessen nicht voneinander weggetrieben werden.

Dass Menschen zumindest in reicheren Ländern im Einzelbett oder höchstens als Paar zusammenliegen, ist eine recht neue Erscheinung. Bis in die Neuzeit schlummerte auch der Homo sapiens überwiegend in Gruppen. Erst mit der Industrialisierung und dem zunehmenden Wohlstand setzten sich in westlichen Kulturen Einzelbetten und private Schlafzimmer durch. In vielen Teilen der Welt ist das gemeinsame Schlafen jedoch nach wie vor üblich.

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