Tiere - Freiburg im Breisgau:Debatte über Abschüsse nach Spuren eines weiblichen Wolfes

Tiere - Freiburg im Breisgau: Ein Wolf schaut in die Kamera. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild
Ein Wolf schaut in die Kamera. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Stuttgart (dpa/lsw) - Nach dem Nachweis des ersten weiblichen Wolfes nimmt die Debatte um mögliche Rudel und den Abschuss der Wildtiere in freier Natur erneut Fahrt auf. Die FDP verlangt, ein unkontrolliertes Ausbreiten der Wölfe im Land durch gezielte sogenannte Entnahmen zu verhindern. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann erwartet zumindest "schwierige und sehr pikante Debatten" um die Frage, ob Abschussgenehmigungen erteilt werden sollten. In einer dicht besiedelten Kulturlandschaft machten Tiere wie die Wölfe "schlichtweg mal Probleme", das gelte auch zum Beispiel für Füchse und Biber. "Aber Tiere pflegen sich fortzupflanzen", sagte der Grünen-Politiker. "Jetzt müssen wir mal schauen, wie wir damit umgehen."

Nach Angaben des Umweltmininsteriums ist die erste Wölfin, eine sogenannte Fähe, durch Abstrichproben von getöteten Ziegen in Münstertal (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) genetisch nachgewiesen worden. Anfang Januar waren der Forstlichen Versuchungs- und Forschungsanstalt (FVA) in Freiburg insgesamt sieben tote Ziegen gemeldet worden.

In Baden-Württemberg gelten derzeit noch drei Wölfe als sesshaft, es sind alles Rüden im Schwarzwald. Zwei von ihnen streunen durch den Süden der Region. Als sesshaft gilt ein Wolf, wenn ein eindeutig zuzuweisender Nachweis auch nach sechs Monaten noch gefunden wird.

"Sollte die Fähe tatsächlich noch weiter in der Region sein, könnte es zu einer Paarbildung kommen", teilte das Ministerium mit. "Möglich wäre dann ebenfalls, dass es bereits im Frühsommer 2023 zur Geburt von Jungtieren und somit zur ersten Rudelbildung im Südschwarzwald kommen könnte." Allerdings ist unklar, ob das Tier noch im Schwarzwald unterwegs oder schon weitergezogen ist.

"Forderungen nach einem Abschuss oder der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht sind deplatziert und helfen nicht weiter", sagte der Landesvorsitzende des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu), Johannes Enssle. Vielmehr müssten Weidetierhalterinnen und -halter auch weiterhin bei der Umsetzung des Herdenschutzes unterstützt werden.

Allerdings sind Herdenschutzmaßnahmen aus Sicht des Landesschafzuchtverbands nicht flächendeckend möglich. "Herdenschutzmaßnahmen schützen nicht immer zu 100 Prozent", sagte die Geschäftsführerin Anette Wohlfarth. "Wenn sich der Wolf weiter ausbreitet, ist das eine existenzielle Bedrohung für die Weidetierhaltung." Die Schafzüchter fordern eine Obergrenze. "Wölfe, die übergriffig sind, müssen umgehend und ohne bürokratischen Aufwand entnommen werden."

Die Fähe mit der wissenschaftlichen Bezeichnung GW2407f ist bereits eine Bekannte: Sie ist in der länderübergreifenden Datenbank am Senckenberg-Zentrum für Wildtiergenetik registriert. Laut Ministerium ist sie vermutlich 2021 in Billenhagen (Mecklenburg-Vorpommern) auf die Welt gekommen.

Baden-Württemberg ist zwar trotz der steigenden Zahl von Wölfen in Deutschland noch ein Durchgangsland für das Raubtier. Für die kommenden Jahre rechnen Experten der FVA aber fest mit ersten sesshaften Gruppen. In Deutschland gibt es insgesamt bereits 160 Wolfsrudel und über 40 Paare - aber keine dieser Gruppen lebt in Baden-Württemberg.

Der Wolf hat keine natürlichen Feinde und steht in Deutschland als streng geschützte Art unter Naturschutz. Ein Abschuss ist verboten, es sei denn, die eigentlich Menschen gegenüber scheuen Wölfe verhalten sich in der Begegnung mit Menschen aggressiv. Dann erlaubt das Bundesnaturschutzgesetz einen Abschuss - offiziell "Entnahme" genannt.

Nach Angaben der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf sind seit 1990 bundesweit insgesamt zehn Wölfe amtlich geschossen worden. "Ursachen waren Verhaltensauffälligkeit, Räude, Mehrfaches Überspringen von Herdenschutz", sagte Markus Rösler von der Grünen-Fraktion. Er rechnet bei einem Rudel eher mit weniger Problemen für die Nutztierhalter: Erfahrungen außerhalb Baden-Württembergs zeigten, dass Weidetiere bei fest ansässigen Rudeln in der Region im Regelfall sicherer lebten als in Gegenwart von durchreisenden Einzeltieren.

© dpa-infocom, dpa:230131-99-422337/4

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