Archäologie:Die Milch macht's

Archäologie: Noch heute karge Landschaften: die Hochebenen in Tibet.

Noch heute karge Landschaften: die Hochebenen in Tibet.

(Foto: Li Tang)

Ziegen und Schafe haben wesentlich dazu beigetragen, dass Menschen die Hochebenen Tibets erobern konnten.

Von Christian Weber

Auf den ersten Blick wirkt es nicht wie eine besonders gute Idee, sich ausgerechnet auf dem Dach der Welt niederzulassen. Tibet gilt als eine der unwirtlichsten Regionen der Welt, als dritter Pol der Erde neben Arktis und Antarktis. Im Durchschnitt ist das Land 4500 Meter hoch gelegen, im Winter ist es eisig kalt. Neben der Höhe erschweren die kargen Böden in weiten Teilen des Plateaus das Überleben. Wovon bloß haben sich die frühen Bewohner Tibets ernährt? Die Antwort liefern nun Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Sie lautet: Es waren Milchprodukte.

Wie das Forscherteam um die Archäologin Li Tang vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie in Jena im Fachmagazin Science Advances berichtet, fanden sich entsprechende Hinweise im Zahnstein von 40 Individuen, die vor langer Zeit an 15 verschiedenen Orten des Hochplateaus bestattet worden waren. "Unsere Protein-Nachweise zeigen, dass die Milchwirtschaft im Hinterland des Plateaus vor mindestens 3500 Jahren eingeführt wurde", kommentiert Hongliang Lu von der Sichuan University, Co-Autor der Studie, laut einer Mitteilung des Max-Planck-Instituts. Dabei sei die Milch offenbar für alle Menschen da gewesen. Proteinspuren fanden sich bei Männern und Frauen, Erwachsenen und Kindern, in den Gräbern von Angehörigen der Elite und Durchschnittsmenschen.

Die Körper der Tibeter passten sich auch an die Höhenluft an

Die neuen Erkenntnisse verdanken sich Fortschritten in der Analytik antiker Spuren. Bislang rekonstruierten Archäologen den Speiseplan der Menschen vor allem anhand von tierischen Überresten und Proben aus Lebensmittelbehältern. Mit moderner Proteinanalytik hingen lässt sich eindeutig auf die Ernährung einzelner Individuen schließen sowie auch darauf, welche Tiere es genau gewesen sind, von deren Milch sich die Menschen ernährten. Demnach nutzten die prähistorischen Viehhalter Tibets vor allem die Milch von Ziegen und Schafen, vielleicht auch die von Kühen und Yaks. "Wiederkäuende Tiere konnten die Energie der alpinen Weiden in nahrhafte Milch und in Fleisch verwandeln. Sie ermöglichten so die Ausbreitung menschlicher Populationen in einer der extremsten Umgebungen der Welt", sagt Li Tang.

Die Forscher stießen dabei auf ein klares geografisches Muster: Spuren von Milch fanden sie ausschließlich in den westlichen und nördlichen Steppen, die sich kaum für den Ackerbau eignen. In den Tälern im Süden und im Südosten dagegen, wo es mehr urbares Land gibt, fanden sie keine Spuren von Milchkonsum.

Bereits in früheren Studien hatten andere Forscher nachgewiesen, dass sich die Körper der Tibeter auch an die Höhenluft im Himalaja angepasst haben. Die meisten von ihnen verfügen über eine Genvariante, die dafür sorgt, dass der sogenannte Hämoglobinanteil im Blut auch bei großen Höhen nur leicht ansteigt - ganz anders als bei Flachlandbewohnern. Viel Hämoglobin bindet normalerweise mehr Sauerstoff in den roten Blutzellen und ermöglicht so dass effiziente Atmen in dünner Luft, was aber häufig zur typischen Höhenkrankheit der Bergsteiger führt, also Schwindel, Kopfschmerzen, Schlaf- und Durchblutungsstörungen. Tibeter leiden unter ihr nicht - wohl aber viele der in den vergangenen Jahren zugezogenen Chinesen aus dem Flachland.

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