Süddeutsche Zeitung

Bach-Blütentherapie:38 Blüten gegen alle Leiden

Blütenessenzen - das klingt wunderbar nach Naturheilkunde. Doch hinter der Therapie steckt ein esoterisches Weltbild, in dem "Schwingungsfrequenzen" von Pflanzen gegen negative Seelenzustände helfen sollen.

Colin Goldner

Entwickelt in den 1930er Jahren durch den englischen Homöopathen Edward Bach (1886-1936) versteht die nach ihm benannte Therapie sich heute nicht nur als Allheilmittel gegen jedwede körperliche Erkrankung. Sie gilt unter ihren Anhängern auch als ganz besonders "segensreich bei psychischen und psychosomatischen Störungen".

Nachdem Bachs Vorstellungen nach dessen Tod im Jahre 1936 sehr schnell in der Versenkung verschwunden waren, wurden sie Ende der 1970er im Zuge der aufkeimenden New-Age-Bewegung wieder ausgegraben und in der Folge von der Hamburger Heilpraktikerin Mechthild Scheffer gewinnbringend vermarktet.

Bach zufolge besteht jeder Mensch aus einer unsterblichen Seele, einer sterblichen Persönlichkeit und einem "Spirituellen Selbst", das zwischen Seele und Persönlichkeit vermittle.

Mit Hilfe des "Spirituellen Selbst" suche die Seele in der Persönlichkeit jene Aufgaben zu verwirklichen, die dem jeweiligen Menschen als Teil eines größeren kosmischen Energiefeldes aus ebendiesem zugewiesen wurden.

Etwaige Störungen im Verhältnis zwischen diesen Aufgaben und dem tatsächlichen Lebensvollzug äußerten sich im Auftreten "negativer Seelenzustände", die ihrerseits als körperliche Erkrankungen in Erscheinung träten.

Genau achtunddreißig solcher Negativzustände gibt es laut Bach, von Angst, Eifersucht und Hass hin zu Misstrauen, Unsicherheit und Verzagtheit. Um zu gesunden gelte es, die hinter jeder Erkrankung stehenden "negativen Gedanken und Gefühle" mittels übergeordneter Schwingungen zu harmonisieren.

Transformation auf eine höhere Ebene

Hierzu bietet Bach ein Sortiment an achtunddreißig Blütenessenzen an, deren jeweilige "Schwingungsfrequenz" mit je einer der negativen Seelenverfassungen korrespondiere und diese auf eine "höhere Ebene" transformiere.

Bei den Bach-Essenzen handelt es sich um "Wasserauszüge" aus verschiedenen Pflanzen.

Allerdings werden keine Wirkstoffe in herkömmlichem Sinne extrahiert. Vielmehr werden die Blüten oder Pflanzenteile lediglich für kurze Zeit in Quellwasser eingelegt und dem Sonnenlicht ausgesetzt. Das Wasser soll sich dadurch in einem Prozess "natürlicher Alchimie" mit dem "Schwingungsmuster" der jeweiligen Pflanze anreichern.

Entscheidend für den Prozess ist nach Überzeugung der Bach-Jünger das strikte Einhalten ritueller Vorschriften: Beispielsweise müssen die Pflanzen zur Zeit des zunehmenden Mondes an einem sonnigen, wolkenlosen Tag vor neun Uhr früh gesammelt werden; dabei dürfen sie nicht mit bloßen Händen berührt werden, der Sammler muss unbedingt Handschuhe tragen.

Nach dem Einlegen in das Wasser - 120 Gramm Pflanzenteile auf einen Liter - müssen sie mit einem Zweig derselben Pflanze herausgeholt werden.

Cognac oder Brandy

Das "angereicherte" Wasser wird mit der gleichen Menge Alkohol (40%er Cognac oder Brandy) versetzt und im Verhältnis 1:240 mit Wasser verdünnt: aus fünf Litern Wasser, in die kurz ein paar Blätter oder sonstige Pflanzenteile eingelegt wurden, entstehen dergestalt 250 Liter Bach-Blütenessenzen, die, abgefüllt in 25.000 sogenannte "stockbottles" (Vorratsfläschchen á 10ml), für sieben bis zehn Euro pro Fläschchen verkauft werden.

Die "hochkonzentrierten" Essenzen der stockbottles müssen vom Anwender selbst auf Einnahmestärke verdünnt werden: drei Tropfen auf ein 30ml-Fläschchen, das zu 3/4 mit Wasser und zu 1/4 mit Alkohol aufzufüllen ist.

Laut Legende soll Bach, ein Anhänger der Lehre C.G.Jungs, "intuitiv" jene Pflanzen ausgewählt haben, die "positive archetypische Seelenkonzepte verkörpern und genau jene Schwingung besitzen, die uns fehlt, wenn wir uns in einem negativen Zustand befinden".

Rotbuchen-Essenz etwa wirke bei Arroganz, Geißblatt bei Pessimismus und Heidekraut bei Grübelsucht. Kastanie sei ratsam bei "mangelnder Einsicht in die eigenen Fehler" und Weide beim "Gefühl, im Leben zu kurz gekommen zu sein".

Für besondere Notfälle gibt es sogenannte "Erste-Hilfe-Tropfen" (rescue drops), eine "Essenz" aus fünf verschiedenen Pflanzen, deren Einnahme Schock, Panik und Ohnmacht verhindern soll.

Angeblich wirksam bei Legasthenie

In einem einschlägigen "Lehrbuch" werden Bach-Blüten auch bei Vergewaltigung und Misshandlung empfohlen. Mechthild Scheffer hält sie gar für geeignet, karmische Blockaden aus früheren Leben aufzulösen.

Selbstredend werden die Blütentropfen auch zur Bewältigung pädagogischer Probleme empfohlen: Beispielsweise sei Kindern, die nicht gern alleine spielten, mit Odermennig beizukommen, "boshaften" und "eigensinnigen" hingegen mit Stechpalme oder Weinrebe. Auch bei Lese- und Rechtschreibproblemen sollen Bach-Blüten helfen.

Zwar sollen die Blütenessenzen tropfenweise (vier Tropfen aus dem Einnahmefläschchen auf ein Glas Wasser, viermal täglich) eingenommen werden. Sie helfen angeblich aber auch schon, wenn man ein Fläschchen davon bei sich trägt oder neben sich ans Bett stellt. Auch fünf Tropfen auf ein Vollbad seien hilfreich.

Mittlerweile gibt es auch "Heilsalben" zu äußerlicher Anwendung, bei denen Bach-Blüten in eine neutrale Cremegrundlage eingearbeitet sind. Die Tropfen können selbstverständlich auch anderen, Kindern oder Ehepartnern etwa, ohne deren Wissen ins Essen oder in ein Getränk geträufelt werden.

Entgegen aller Behauptungen Scheffers und ihrer Anhänger tragen die Bach-Blüten-Essenzen außer dem Alkohol keinerlei Wirkstoff in sich. Es lässt sich nicht der geringste Unterschied zwischen den einzelnen Präparaten feststellen. Die einzelnen "stockbottles" enthalten Wasser und ein wenig Alkohol, sonst gar nichts.

Ähnlich wie bei vielen anderen alternativen Therapieangeboten kann die Bach-Blüten-Therapie bei manchen Patienten einen Placeboeffekt hervorrufen. Aber für eine zuverlässige Wirkung gibt es keinen einzigen ernsthaften Beleg.

Colin Goldner ist klinischer Psychologe. Er setzt sich seit etlichen Jahren kritisch mit alternativen Heilverfahren auseinander.

Nächste Woche: Die Bioresonanztherapie

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