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Technik:Kann ich ein Instrument lernen per App?

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Bonn (dpa/tmn) - Sie wollten schon lange mal wieder Beethovens "Für Elise" spielen? Oder "Everlong" von den Foo Fighters? Schnell das Keyboard vom Dachboden geholt oder die E-Gitarre hervorgekramt und los geht’s.

Wenn es nur so einfach wäre. Denn die Griffe, Tasten und Akkorde sitzen einfach nicht mehr. Und das bedeutet: Misstöne.

Apps, Browser-Anwendungen oder auch Videos können in so einem Fall nützlich sein. Bei einigen ist nicht mal ein eigenes Instrument notwendig. Aber wem bringen solche Anwendungen wie viel? Und können sie Lehrerinnen und Lehrer ersetzen?

Spielerischer Ansatz

Da wären zunächst einmal Apps mit einem eher spielerischen Ansatz. Hier geht es im Grunde darum, etwa auf dem Tablet oder Smartphone auf virtuellen Klaviertasten oder Gitarrenseiten im richtigen Moment die richtigen Töne des Songs zu treffen. Das sei jedoch nicht vergleichbar mit einem echten Instrument, sagt Volker Gerland.

"Der Druckpunkt fehlt und die Größe der Tasten ist auf dem Tablet anders", sagt der Leiter der AG "Digitale Chancen an Musikschulen" im Verband deutscher Musikschulen. Wer von diesen digitalen Instrumenten auf echte umsteigen möchte, könnte Schwierigkeiten bekommen: "Man lernt dadurch nicht Gitarre spielen."

Zudem gibt es zahlreiche, teils auch kostenlose Bewegtbild-Tutorials auf den bekannten Video-Plattformen, sogar ganze Akademien etwa für Bassisten mit Stars von Weltrang, die Workshops zu Songs großer Künstler, sogenannte Masterclasses geben, erklärt Martin Reche vom Fachportal "Heise online".

Hört die App zu?

Dann gibt es Apps beziehungsweise Browser-Anwendungen wie Skoove, Music2Me oder Flowkey fürs Klavierlernen und Yousician, Fretello oder JustinGuitar für die Gitarre. Reche hat die Angebote getestet und festgestellt: Es gibt Apps, die aktiv zuhören und Feedback geben können und solche, die ausschließlich mit Videomaterial arbeiten und keine Rückmeldung geben.

Beispiel Gitarre: Hier läuft ein virtuelles Griffbrett über den Bildschirm. Apps wie Yousician lauschen über die eingebauten Mikrofone und können erkennen, ob man zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Ton trifft. "So lernt man, sich auf dem Griffbrett zurechtzufinden und Melodien nachzuspielen", sagt Reche.

Etwas Ähnliches gibt es auch fürs Klavier. Unten auf dem Bildschirm stehen die Noten, oben das Klavier eines virtuellen Lehrers aus der Vogelperspektive. Sogar der Fingersatz wird eingeblendet, also die Info, welche Taste man wann mit welchen Fingern drücken muss.

Für die ersten Schritte

"Wer schon immer mal ein Instrument lernen wollte und zuhause etwa ein kleines Keyboard stehen hat, dem können die Apps bei den ersten Schritten helfen", erläutert Reche. Bekannte Popsongs liefern die nötige Motivation, um dranzubleiben. Aber natürlich sind Bach, Mozart oder Beethoven ebenfalls in den Anwendungen vertreten.

Die Dienste können aber keinen Lehrer ersetzen, meint Reche. "Sie können beurteilen, ob man Töne richtig gespielt und das Timing getroffen hat, aber nicht die Finger- oder Körperhaltung." Wer sich eine falsche Spielweise aneignet, die keiner korrigiert, verhindere im schlimmsten Fall den eigenen Fortschritt.

"Ein Instrument nur durch das Betrachten von Videos oder einen Online-Unterricht zu erlernen, halte ich für sehr problematisch", meint Gerland. Zum einen wegen der oft unzureichenden Tonqualität, zum anderen, weil Lehrer online nicht gut mit ihren Schülern zusammenspielen könnten.

Und für nebenbei

Dennoch hält Volker Gerland die Apps und Anwendungen für gute Nebenbei-Trainer sowie geeignet zum Auffrischen, wenn man die Techniken schon beherrscht, aber lange nicht gespielt hat. Auch die Musikschulen arbeiteten im Corona-Lockdown digital.

Entweder als Unterricht per Videokonferenz oder man bekomme ein Video, in dem die Übungen zu sehen sind. Die Schüler und Schülerinnen schicken ihrerseits Tonaufnahmen zum Abgleich zurück. Grundsätzlich eine gute Möglichkeit, um auch für Zwischendurch-Feedback permanent in Kontakt zu bleiben.

Die Apps für Mobilgeräte und Browser, die Reche getestet hat, sind alle kostenpflichtig. Aber es gibt für alle eine sieben Tage währende Testphase, in der man auf alle Inhalte zugreifen kann. "Die reichen aus, um sich ein fundiertes Bild zu machen und festzustellen, ob es was für einen ist", erklärt Reche.

© dpa-infocom, dpa:210421-99-295810/8

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