Der Kraftwerksexperte Alfons Kather ist skeptisch, ob Net Power das gelingen wird. "Doch selbst ein Wirkungsgrad von fünfzig Prozent wäre für die Versuchsanlage schon ein großartiger Erfolg", sagt der Leiter des Instituts für Energietechnik der Technischen Universität Hamburg. Dafür müsse das Startup jedoch einige Herausforderungen meistern. Etwa was das Design der Turbine betrifft: Konventionelle Gasturbinen können einem Druck von 300 Bar nicht standhalten. Dampfturbinen hingegen wären mit Temperaturen von mehr als 1100 Grad überfordert. Net Power braucht daher neuartige Turbinen. Das Startup hat sich dafür mit Toshiba zusammengetan. Der japanische Konzern entwickelt die Turbinentechnik sowie die Brennkammer.
Ein weiterer kritischer Punkt: "Für den Allam-Cycle muss eine Sauerstoffabscheidung vorgenommen werden", sagt Hermann Stelzer vom Projektträger Jülich, eine Einrichtung des Forschungszentrums Jülich. Dabei wird Luft in die beiden Hauptbestandteile Stickstoff und den für die Verbrennung nötigen reinen Sauerstoff zerlegt. Dieser Prozess verschlingt jedoch viel Energie. Net Power will sie so weit wie möglich auffangen, indem die Abwärme aus der Luftzerlegung in den Kraftwerkskreislauf übertragen wird. Gelingt das, wäre die Sauerstoffabscheidung weitgehend klimaneutral - vorausgesetzt, dass dafür Strom aus dem CCS-Kraftwerk verwendet wird.
In Deutschland ist das unterirdische Speichern von CO₂ praktisch unmöglich
Die schlechte Klimabilanz der deutschen Energiewirtschaft kann der neue Kraftwerkstyp jedoch kaum verbessern, selbst wenn er auf Anhieb funktioniert. Anders als in den USA spielen Gaskraftwerke hierzulande nur eine kleine Rolle, sie erzeugen nur zwölf Prozent des Stroms. Kohlekraftwerke mit ihren viel höheren CO₂-Emissionen hingegen produzieren vierzig Prozent. Für sie eignet sich die Net-Power-Technik aber nicht, weil sie mit Wasserdampf arbeiten und einen anderen Turbinentyp benötigen.
Zwar sollen Gaskraftwerke künftig im deutschen Energiesystem wichtiger werden, da sich ihre Leistung anders als die von Kohlemeilern schnell steigern oder reduzieren lässt. Das erlaubt es, die Ertragsschwankungen der Wind- und Solaranlagen auszugleichen. Das Net-Power-Verfahren macht diese Flexibilität jedoch zunichte. "Ein Druck von 300 Bar, Temperaturen von mehr als 1100 Grad - solche Anlagen fährt man nicht mal so eben schnell an oder ab", sagt Kather. Dazu kommt, dass das unterirdische Speichern von Kohlendioxid im dicht besiedelten Deutschland derzeit rechtlich praktisch unmöglich ist. In den USA ist das anders.
Für Karsten Smid, Kampagnenleiter für Klima & Energie bei Greenpeace, ist CCS sowieso der falsche Ansatz, unabhängig von der verwendeten Technologie. CCS sei viel zu teuer und bringe eine Menge ungelöster rechtlicher und technischer Probleme mit sich. "Statt mit großem Aufwand Kohlendioxid abzuscheiden und in den Untergrund zu pressen, ist es viel sinnvoller und auch günstiger, ganz auf die erneuerbaren Energien zu setzen", sagt Smid.
Die 25-Megawatt-Pilotanlage in Texas soll nun jedoch den Nachweis erbringen, dass das Kraftwerkskonzept von Net Power in der Praxis funktioniert. Noch im Herbst soll sie in Betrieb gehen. Zudem bereitet das Unternehmen derzeit den Bau einer 300-Megawatt-Anlage vor, eine für kommerzielle Gaskraftwerke typische Größe. Dafür prüfe man gerade eine Reihe von Standorten, heißt es bei Net Power - in den USA, aber auch im Ausland.