Tea Party gegen Umweltschutz: "Global Warming is bullshit!"

Amerikas Rechte nutzt den eskalierenden Schuldenstreit mit Präsident Obama für einen Angriff auf den Umweltschutz. Und sie stellt nicht nur wirtschaftliche Interessen über Umweltfragen. Offenbar meinen die Konservativen, mit politischen Ansichten auch die Physik des Planeten übertrumpfen zu können.

Patrick Illinger

Auf großen Versammlungen der Tea- Party-Bewegung in den USA kommt es immer wieder vor, dass Tausende Menschen mit Sprechchören gegen den Klimawandel ankämpfen. "Global Warming is . . ." ruft dann ein Agitator von der Bühne, und die aufgebrachte Menge antwortet "bullshit!", zu Deutsch: Die globale Erwärmung ist ein "Scheißdreck".

People hold signs during a 'tea party' protest in Flagstaff, Arizona

Tea-Party-Demonstration in Flagstaff, Arizona. Republikanische Politiker nutzen den eskalierenden Schuldenstreit mit Präsident Obama, um erneut massive Schläge gegen die Umweltgesetze der USA auszuteilen.

(Foto: REUTERS)

In solchen Momenten wird deutlich, dass Amerikas Rechte nicht mehr nur versucht, wirtschaftliche Interessen über Umweltfragen zu stellen. Sie meint offenbar auch, mit politischen Ansichten die Physik des Planeten übertrumpfen zu können.

Die Probleme der US-Konservativen mit Umweltfragen haben eine lange Tradition. Naturschützer und Klimaforscher erinnern sich mit Schaudern an die Präsidentschaft von George W. Bush, in der Klimaabkommen keine Chance hatten und die US-Umweltbehörde EPA zur Staffage degradiert wurde.

Nun nutzen republikanische Politiker den eskalierenden Schuldenstreit mit Präsident Obama, um erneut massive Schläge gegen die Umweltgesetze der USA auszuteilen. Mehrere Dutzend Gesetzesänderungen haben republikanische Abgeordnete des Repräsentantenhauses zusammengetragen. In dieser Woche sollen sie zur Abstimmung kommen.

Demokratische Parlamentarier und Umweltschützer haben aus dieser Flut von Anträgen einen Katalog destilliert, der sich liest wie ein Abgesang auf jegliche Form des Umwelt- und Naturschutzes.

Viele der geforderten Maßnahmen zielen darauf ab, die Zuständigkeit von Behörden wie der EPA, des Forst- oder Fischereiamts zu beschneiden und Etats zu kürzen, die es für die Durchsetzung von Naturschutz braucht.

Zu letzteren gehört zum Beispiel die Abschaffung von Bootskontrollen auf dem Yukon-Fluss in Alaska und eine Sperre für Studien, die das Krebsrisiko von Arsen und Formaldehyd untersuchen.

"Wunschliste für Umweltverschmutzer"

Auch soll die Behörde für Landmanagement daran gehindert werden, weitere Naturflächen als Schutzgebiete auszuweisen. Massive Erleichterungen soll es hingegen für die Nutzung öffentlicher Böden als Weideland geben. Auch andere Vorschläge unterstützen die Fleischproduktion, so soll der Schadstoffausstoß bei der Tierhaltung nicht mehr reguliert werden.

Das Innenministerium soll nach dem Willen der konservativen Abgeordneten nicht mehr für jene Art von Bergbau zuständig sein, bei der ganze Gebirgslandschaften ihre Bergkuppen verlieren. Für die Gewinnung von Uran soll künftig auch der Grand-Canyon-Nationalpark zugänglich sein.

Das Umweltamt EPA soll nicht mehr darüber entscheiden dürfen, wie mit Staub und festen Abfällen aus der Kohle- und Erdöl-Verbrennung zu verfahren ist. Ebenso soll das EPA das Gesetz zur Reinhaltung von Gewässern fortan nicht mehr ändern oder mit Verordnungen ergänzen dürfen.

Die Öffentlichkeit soll in Fragen der Waldnutzung weniger Mitspracherecht bekommen, und Zedernholz aus Alaska soll für den Export freigegeben werden. Minenbetreiber sollen ebenso finanzielle Erleichterungen bekommen wie Zementhersteller. Letztere sollen außerdem, wie auch die großen Ölkonzerne, künftig nicht mehr mit Gesetzen zur Reinhaltung der Luft behelligt werden.

Das Forderungspaket sei "eine Wunschliste für Umweltverschmutzer", klagte der demokratische Abgeordnete Norm Dicks in der New York Times. Tatsächlich dürften die meisten der von den Republikanern vorgebrachten Änderungswünsche kaum eine Chance haben, sobald diese im Senat auf die dortige Mehrheit der Demokraten treffen.

Doch die Breite des Angriffs auf die aktuelle Umweltpolitik der USA ist erstaunlich. Nicht wenige Republikaner erklären, sie sähen in der Umweltbehörde EPA einen Hemmschuh für die stagnierende Wirtschaft der USA.

Nach ihrem Willen soll nicht nur die Zuständigkeit der Behörde beschnitten werden, sondern auch das Budget - um satte 18 Prozent. Immerhin: Der Vorschlag, der Fisch- und Wildtierbehörde zu verbieten, weitere Arten als gefährdet einzustufen, ging auch einigen Republikanern zu weit.

Mit den Begriffen "bewahren", "erhalten", "schonen" übersetzt das Latein-Lexikon die Vokabel "conservare". Dass den Konservativen Amerikanern in Sachen Umweltschutz wenig an ihrem Wortursprung liegt, bleibt ein Paradoxon.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: