Wenn man es flapsig ausdrückt, möchte die Taxonomie ihr Image aufpolieren. Besonders groß ist nämlich das Interesse der Geldgeber und Universitäten nicht an dem Fach, das Lebewesen charakterisiert, benennt und ins System der Natur einordnet. "Seien wir mal ehrlich, die Disziplin gilt als verstaubt", sagt Rudolf Amann, der als Taxonom promoviert hat und Direktor am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen ist. Er hat für die Wissenschaftsakademie Leopoldina eine Arbeitsgruppe geleitet, die eine Neubewertung der Taxonomie fordert; sie hat ihren Bericht am Mittwoch in Berlin vorgestellt.
In der Tat nennt die Akademie viele Argumente für die Imagekorrektur. Die Taxonomie leiste durch die Bestimmung von Bakterien oder Pilzen wertvolle Dienste für Medizin, Lebensmitteltechnik oder Ökologie. Durch die sogenannten Omics-Techniken werde sie sich enorm weiterentwickeln. Darunter verstehen Biologen Maschinen zur Erfassung von Erbgut, RNA, Proteinen und Stoffwechselprodukten - lauter Begriffe, die wie "Genomics" in diesen Silben enden.
Die Leopoldina regt drei Maßnahmenpakete an. Erstens sollten Forschungsprojekte gefördert werden, um alle Lebewesen Mitteleuropas zu erfassen. "Je kleiner sie sind, desto größer sind die Lücken in unserem Wissen", sagt Amann. Zweitens soll die biologische Ausbildung so reformiert werden, dass die Taxonomie ihren Platz als "Grundlage der Lebenswissenschaften" finde, sagt Johannes Vogel, Leiter des Naturkundemuseums Berlin. Drittens sei eine Revision in Sammlungen nötig. Immer wieder finden sich Exemplare noch unbekannter Arten.
Zugleich gebe es viele Doppel, sagt Susanne Renner, Leiterin des Botanischen Gartens München. "Wir kennen 1,8 Millionen Pflanzenarten, davon sind geschätzt 50 Prozent redundant." Forscher in verschiedenen Ländern hätten sie beschrieben, ohne dass es aufgefallen wäre. Die Proben mit genetischen Markern zu verknüpfen, ermögliche weltweite Onlinevergleiche.