Süddeutsche Zeitung

Taifun "Haiyan":Wirbelsturm der Superlative

Möglicherweise ist der Taifun "Haiyan" der stärkste Wirbelsturm, der jemals gemessen wurde. Wie schlimm er sich auswirken wird, ist noch offen. Immerhin lässt sich erklären, woher seine Gewalt stammt.

Diesmal entspricht die Bezeichnung "Super-Taifun" tatsächlich einer offiziellen Kategorie: Der Wirbelsturm Haiyan, auch Yolanda genannt, hat Windgeschwindigkeiten von bis zu 275 Kilometern pro Stunde erreicht, seine Böen waren dem amerikanischen Joint Typhoon Warning Center (JTWC) auf Hawaii zufolge sogar bis zu 324 Stundenkilometer schnell.

Damit hat der Taifun die Schwelle von 241 Stundenkilometern überschritten, ab der ein solcher Sturm dem JTWC zufolge das Präfix "Super" erhält. Seine Geschwindigkeit ist dann mindestens vergleichbar mit einem Hurrikan der Kategorie 4 oder - wie im Fall von Haiyan - der Kategorie 5.

Haiyan gehört zu den vier stärksten Wirbelstürmen überhaupt, die seit 1969 gemessen wurden - frühere Messungen gelten als nicht ausreichend verlässlich - vielleicht ist er sogar der stärkste Wirbelsturm überhaupt. Ähnlich heftig waren nur der Hurrikan Camille 1969, der Super-Taifun Tip 1979 und 1980 der Hurrikan Allen. Deren Stärke wurde von Flugzeugen aus gemessen. Für Haiyan gibt es bislang lediglich Schätzungen, die auf Satellitenbildern beruhen. Vermutlich aber ist Haiyan einer der stärksten, die je das Land erreichten.

Welche Schäden ein Wirbelsturm auslöst, hängt nicht nur von seiner Stärke ab, sondern vor allem auch von dem Weg, den er nimmt. So gehören die drei stärksten Wirbelstürme nicht zu den verheerendsten. Der in dieser Hinsicht schlimmste Sturm war bislang der Bhola-Zyklon, ein Zyklon der Kategorie 3, der im November 1970 im heutigen Bangladesch etwa 300.000 Menschen den Tod brachte.

Als Taifun werden tropische Wirbelstürme bezeichnet, die in Ost- und Südostasien auftreten sowie im Nordwesten des Pazifischen Ozeans. Als Hurrikane werden solche Stürme im Atlantik und Nordpazifik bezeichnet. Und Zyklone heißen sie im Indischen Ozean und dem Südwesten des Pazifiks. Tornados wiederum sind keine tropischen Stürme, sondern örtlich eng begrenzte Wirbelstürme, die überall auftreten können - über Wasser (Wasserhose) oder Land (Windhose) - und einen Luftwirbel vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze bilden. Solche Stürme haben einen Durchmesser von wenigen Metern bis einem Kilometer und legen gewöhnlich nur einige Hundert Meter oder wenige Kilometer zurück.

Warmes Meer, kühle Luft, wenig Windscherung

Tropische Wirbelstürme entstehen vor allem dann, wenn das Wasser in den tropischen Ozeanen mehr als 26 Grad Celsius warm ist. Dann verdunsten große Mengen und steigen auf. Mit der Höhe nimmt der Luftdruck ab, die Luft dehnt sich aus und kühlt ab. Dann kondensiert der Wasserdampf zu massiven Wolkenformationen. Dabei wird die Energie frei, die vorher im warmen Wasser gespeichert war und zur Verdampfung geführt hat. Diese Energie - die Kondensationswärme - führt dazu, dass die Luftmassen sich noch weiter in die Höhe bewegen.

Unter ihnen, über der Wasseroberfläche, entsteht ein Tiefdruckgebiet. In dieses strömt nun von den Seiten Luft - wobei hier auch noch die herrschenden Winde wie etwa der Passat eine Rolle spielen. Durch die Erddrehung verlaufen diese Ströme nicht gerade, sondern beginnen zu rotieren - und zwar je nach Ursprungsregion im oder gegen den Uhrzeigersinn.

Eine Rolle spielt auch die Windscherung. Eine solche Scherung entsteht, wenn Luftströmungen sich in einem bestimmten Gebiet in verschiedene Richtungen und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegen. Je geringer die Unterschiede hier sind, desto weniger stört oder bremst die Windscherung die Bildung des sich schließlich selbst immer weiter verstärkenden Wirbels mit seinem typischen sturmfreien Kamin in der Mitte - dem Auge des Sturms. Ein solcher stürmischer Wirbel, der dann den globalen Windströmungen entsprechend wandert, kann einen Durchmesser von bis zu 700 Kilometer erreichen.

Als sich Haiyan entwickelte, waren die Bedingungen offenbar ideal für einen besonders heftigen Sturm. Er entstand weit entfernt von allen Landmassen, die den Zustrom von Wasserdampf und die Bildung des Wirbels hätten bremsen können.

Außerdem war der Ozean dort mit etwa 30 Grad Celsius ausgesprochen warm, und zwar bis in eine so große Tiefe, dass der Sturm selbst die warme Oberfläche nicht mit kälterem Wasser aus der Tiefe mischen und so zu einer Abkühlung hätte führen können, sagte Brian McNoldy von der University of Miami dem Online-Wissenschaftsmagazin LiveScience. Darüber hinaus gab es für diese Zeit ungewöhnlich wenig Windscherung, die hier sonst von Luftströmungen in größerer Höhe verursacht wird.

Ob der Klimawandel eine Rolle bei der Entstehung des Super-Taifuns gespielt hat, lässt sich nicht eindeutig sagen. Aufgrund der Erwärmung der Meere befürchten Klimaforscher, dass die Stärke von Wirbelstürmen zunehmen dürfte. Unklar ist aber zum Beispiel, wie sich die globalen Luftströmungen verändern und so etwa die Windscherung die Entstehung der Stürme behindern.

Die Philippinen werden jedes Jahr von etwa zwei Dutzend starken Stürmen heimgesucht. Allein dieses Jahr gab es bereis fünf Super-Taifune. Der Höhepunkt der "Taifun-Saison" der Philippinen (etwa von Mai bis November) liegt McNoldy zufolge gewöhnlich eher im Oktober.

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