SZ-Serie:Laues Lüftchen gegen die Erderwärmung

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Allmählich wird sich Peking der prekären Lage bewusst - aber es will nur handeln, wenn das Wachstum nicht gefährdet wird.

Henrik Bork

Noch nie hat der Jangtse so wenig Wasser geführt. Chinas "Langer Fluss", die Wiege der Nation, ist noch immer der mächtigste Strom Asiens. Aber er ist deutlich flacher geworden. "Der Wasserpegel hat den tiefsten Stand seit 140 Jahren erreicht", sagt die chinesische Umweltschützerin Wang Yongchen. Und sie glaubt auch den Grund dafür zu kennen. "Es ist eine Folge der globalen Erderwärmung", sagt Wang.

Nicht nur entlang des Langen Flusses, überall im Land ist das Phänomen zu beobachten. Das vergangene Jahr war das wärmste, das China seit 1951 erlebt hat. Die Gletscher auf dem tibetischen Plateau, die den Jangtse speisen, schmelzen schneller als je zuvor. Dadurch sei in den kommenden drei Jahrzehnten "die Wasserversorgung von hunderten von Millionen von Menschen gefährdet", heißt es in Chinas kürzlich veröffentlichtem, ersten "Nationalen Einschätzungsbericht zum Klimawandel".

Schlimmste Dürre seit Jahrzehnten

Weiter im Norden erlebten die Provinzen Sichuan und Gansu gerade die schlimmste Dürre seit Jahrzehnten. In der Nähe von Chongqing hatten 16 Millionen Menschen wochenlang Probleme, Trinkwasser zu finden. Die "Häufigkeit und Dauer einzelner Dürreperioden" nehme erkennbar zu, sagt Yang Ailun, Expertin für Klimawandel bei Greenpeace in Peking.

Im vorigen Sommer traf der verheerendste Taifun seit einem Jahrhundert auf die Küste der Provinz Zhejiang. 546 Menschen starben. "2704 Tote und wirtschaftliche Verluste von 212 Milliarden Yuan (21 Milliarden Euro)" seien im vergangenen Jahr von "extremen Wetterereignissen" in China verursacht worden, sagt Qin Dahe, Leiter der Meteorologischen Behörde. Je höher die Temperaturen steigen, desto mehr Chinesen werden von Trockenheit, Flutkatastrophen oder Stürmen heimgesucht.

Klimabewusstsein ist eher gering

Chinas staatliche Medien porträtieren ihr Land inzwischen oft als "eines der größten Opfer des Klimawandels", wie etwa die China Daily vor wenigen Tagen. Die Tatsache hingegen, dass die bevölkerungsreichste Nation der Erde und ihre schnell wachsende Wirtschaft auch zu den größten Verursachern des Klimawandels gehört, ist weniger populär. "Das Bewusstsein für dieses Problem ist bei den meisten Chinesen noch eher gering", sagt die Umweltschützerin Wang.

China ist im globalen Vergleich bereits heute der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen. Sehr bald, innerhalb weniger Jahre, wird es die USA überholt haben und die traurige Statistik anführen. Wieviel Treibhausgase genau China ausstößt, ist schwer zu kalkulieren, aber eine oft zitierte Berechnung aus dem Jahr 2003 spricht von mindestens einer Milliarde Tonnen oder 14,1 Prozent des weltweiten Ausstoßes.

Viele Chinesen empfinden es dennoch als ungerecht, dass ihr Land nun - nach Jahrzehnten hemmungslosen Ressourcenverbrauchs in den entwickelten Ländern - ausgerechnet vom Westen zur Verringerung von Treibhausgasen gedrängt wird. China müsse sich erst entwickeln dürfen, bevor es in die Klima-Pflicht genommen werden kann.

"China sollte seine Kohlendioxid-Emissionen nicht reduzieren. Denn das würde gewaltige soziale Probleme verursachen", sagt Huo Yuping, Physikprofessor an der Universität von Zhengzhou. Solche Ideen sind weit verbreitet. Chinas Medien rechnen besonders gerne mit dem Ausstoß pro Kopf der Bevölkerung, wobei ihr Land natürlich sehr vorteilhaft abschneidet.

Die chinesische Regierung hat sich in Kyoto wie andere Entwicklungsländer nicht zu verbindlichen Reduktionszielen verpflichtet - und scheint dies auch so bald nicht vorzuhaben. Dennoch gibt es seit dem schockierenden letzten UN-Klimabericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaveränderungen (IPCC) in Paris erste Zeichen dafür, dass die kommunistische Führung in Peking auch für die chinesische Politik einen größeren Handlungsbedarf erkannt hat.

Der Premier nimmt Nachhilfe

In der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften kam Professor Pan Jiahua kürzlich an einem gewöhnlichen Werktag mit Anzug und Krawatte ins Büro. "Ich war heute Morgen beim Vizepremier", erklärte der Wissenschaftler seinen Mitarbeitern die für ihn ungewöhnlich förmliche Kleidung.

Vizepremier Hui Liangyu und vier Minister hatten sich von Professor Pan und von Qin Dahe, Chinas oberstem Wetteransager, eine Nachhilfestunde zum Klimawandel geben lassen. "Es war das erste Mal, dass sich ein so ranghoher Politiker für meine Wissenschaft interessiert hat", sagt Pan.

Professor Pan Jiahua ist Chinas führender Forscher in Sachen Klimawandel. Er hat für sein Land an dem IPCC-Bericht in Paris mitgeschrieben. Bis vor kurzem aber fand er daheim kaum Beachtung. Deshalb war er nach dem Besuch beim Vizepremier aufgekratzt und erfreut. ´"Es hat ein Umdenken begonnen. Hochrangige Regierungsmitglieder in China sind jetzt auf das Problem der globalen Erderwärmung aufmerksam geworden und beraten über Maßnahmen zur Lösung des Problems", sagt Pan.

Langsames Umdenken

Das Umdenken findet langsam statt, ist aber unverkennbar. Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao hat kürzlich zum ersten Mal öffentlich das Wort "Klimawandel" in den Mund genommen - während des Frühlingsfestes Ende Februar, beim Besuch der von einer besonders schweren Dürre geplagten Nordwestprovinz Gansu.

Chinas Staatsrat, das Kabinett, hat gut informierten Quellen zufolge gerade ein "Nationales Strategieprogramm gegen Klimawandel" verabschiedet, auch wenn die Veröffentlichung noch auf sich warten lässt. Es wird allerdings überwiegend aus einer Auflistung bereits existierender Umweltpolitik bestehen, wie dem Bekenntnis zu mehr Energie-Effizienz, zu Aufforstungsprogrammen und dem Ausbau erneuerbarer Energien. Verbindliche Reduktionsziele für Treibhausgase werden darin nach jetzigem Kenntnisstand erneut nicht enthalten sein.

China will nur dann einen Beitrag zum Kampf gegen die Erwärmung der Atmosphäre leisten, wenn dadurch sein Wirtschaftswachstum nicht in Frage gestellt wird. "Die entwickelten Länder sollten uns zeigen, wie wir Emissionen reduzieren können, ohne dass sich daraus ein negativer Effekt auf unsere Wirtschaft ergibt", sagt auch Klimaforscher Pan. Wie das gehen soll, weiß niemand so recht.

Da Chinas Primärenergie-Bedarf zu mehr als 60 Prozent aus Kohle gedeckt wird und dieser Energiemix realistisch gesehen auch in absehbarer Zeit kaum drastisch verändert werden kann, setzen chinesische Umweltschützer ihre größten Hoffnungen auf die Bereiche Energiesparen und -effizienz. Und China hat begonnen, auf erneuerbare Energie zu setzen. Im vergangenen Jahr nahm die Stromerzeugung aus Windrädern um 80Prozent zu.

© SZ vom 31.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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