Der typische Tagesablauf einer Kuh: Fressen, spazieren, Kontakte mit anderen Kühen pflegen, wiederkäuen, schlafen und wieder fressen und wieder wiederkäuen. Auf den ersten Blick wirkt das nicht ungewöhnlich. Doch die Nahrungsaufnahme hat es in sich. Kühe müssen gewaltige Mengen verdrücken, um auf ihre lebensnotwendigen Kalorien zu kommen. Einhundert Kilogramm Gras pro Tag wollen erst einmal verspeist sein. Acht Stunden nimmt sich die Kuh dafür Zeit. Weitere acht Stunden gehen für das Wiederkäuen drauf, also für den zweiten Kauvorgang, für den das Futter aus dem Magen zurück ins Maul katapultiert wird.
Alles in allem muss die Kuh 180 Liter Speichel produzieren und auf die Mitarbeit von sieben Kilogramm Bakterien, die im Magen leben, vertrauen, damit sie den Grasfasern die lebensnotwendigen Kohlenhydrate entziehen kann. Ein Kunststück, denn Mensch, Hund oder Schwein können das nicht. Bei dem Versuch, sich von Gras zu ernähren, würden sie verhungern.
Wer solche Mengen verdrückt, hat wenig Zeit für Feinschmeckergehabe. Die Kuh muss fressen, was Stall oder Weide hergeben. Darum sind die wulstigen Lippen der Kuh unsensibel. Auch im Maul wird nicht sortiert und ausgemustert. Schneidezähne im Oberkiefer hat die Kuh keine, stattdessen wird alles mit der Gaumenplatte gequetscht und mit den Backenzähnen grob gekaut. Die Eigenschaft der Kuh, möglichst viel Masse in den Magen zu stopfen, verträgt sich nun schlecht mit der Eigenschaft des Menschen, überall in der Natur seine Spuren zu hinterlassen. So landen auch Getränkedosen, Stacheldrahtreste und Nägel im Magen der Kuh.
Magnet im Bauch
Eine fatale Kettenreaktion kommt in Gang: Der Magen zieht sich beim Heraufwürgen des Futters ins Maul so stark zusammen, dass scharfe und spitze Gegenstände die Magenwand durchbohren - manchmal bis ins Herz. Derart perforiert ergießt sich Mageninhalt in die Bauchhöhle, es kommt zu schlimmen Infektionen. Auch Notschlachtungen kommen vor, weshalb das Problem bis heute nicht nur Tiere leiden lässt, sondern auch wirtschaftliche Schäden nach sich zieht. Schon lange kennen Bauern das Problem als "Eisenwarenkrankheit der Kühe".
Der Lösung kam man in den 1960er-Jahren näher. Tierärzte versuchten mit Magneten, die sie über die Speiseröhre in den Magen hinunterließen, verschluckte Metallteile aus der Kuh herauszufischen. Optimal klappte das nicht. Zwar kam allerlei magnetisches Zeug ans Tageslicht, selten aber war der Auslöser des Krankheitsbildes dabei, denn der steckte bereits fest in den Eingeweiden.
Eine andere Idee kam auf: Was, wenn der Nagel gar keine Gelegenheit bekäme, die Schleimhaut zu zerstören? Wenn man den Magneten schon vorsorglich im Kuhmagen platzieren würde? Und tatsächlich blieben Kühe mit Magneten von der Eisenwarenkrankheit verschont - und sie bleiben es noch heute. Der von vielen Bauern eingesetzte, moderne Kuh-Magnet ist von einem Kunststoffkäfig umgeben, kann Metallstücke bis zu neun Zentimetern Länge aufnehmen und wird mit einer flexiblen Stange über die Speiseröhre in den Magen eingesetzt. 97 Prozent der üblicherweise vorkommenden metallischen Fremdkörper werden damit geborgen. Entfernt wird der Magnet in der Regel erst im Schlachthof.