Survival-Künstler:Sie verstehen zu überleben

In Not auf See, im Eis und in der Wüste versagen die menschlichen Instinkte. Wer durchkommen will, muss wissen, was Experten tun: erst mal entspannen.

Marcus Anhäuser

Kerstin Bruns ist sauer. Da treibt sie plötzlich im sturmgepeitschten Indischen Ozean, nur weil sie einen Moment lang unvorsichtig war.

Survival-Künstler: Extrem-Wanderer Arved Fuchs.

Extrem-Wanderer Arved Fuchs.

(Foto: Foto: dpa)

Eine fast zehn Meter hohe Welle hat die damals 27 Jahre alte Offizierin an einem Sommerabend 2004 bei Windstärke neun vom Containerschiff Hansa Bergen gerissen - und als sie den Kopf über Wasser recken kann, sieht sie nur noch das Heck des Containerriesen an sich vorbeiziehen.

Doch Todesangst steigt nicht in der jungen Frau auf. Sie ruft nicht einmal um Hilfe. Sie ist nur wütend. "Ich dachte, dass sie mich ohnehin retten werden", sagt Bruns rückblickend. "Ich rechnete mit etwa ein bis zwei Stunden." Es werden zwanzig Stunden.

Panik überkommt Kerstin Bruns dennoch nicht, nur wachsender Ärger. Eine ganze Nacht lang lässt sie sich auf mannshohen Wellen treiben. Rücklings liegt sie da. Zwischendurch denkt sie an ihre Familie, ihren Freund, sie zählt Sternschnuppen und behält stets die Lichter der Schiffe im Blick, die nach ihr suchen.

Hin und wieder schläft sie sogar ein. Am nächsten Morgen ziehen ihre Kameraden sie dann endlich aus der immer noch stürmischen, aber 23 Grad warmen See.

Wenn Panik Körperwärme entzieht

Bernd Johannes, Psychologe am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Hamburg, sagt: "Hätte sich Frau Bruns anders verhalten, hätte sie Ihnen die Geschichte heute wahrscheinlich nicht erzählen können."

Stillzuhalten, abzuwarten sei das Klügste gewesen, was die 27-Jährige in ihrer Situation habe tun können. Für die meisten Menschen eine fast unbegreifliche Reaktion: Sie hätten gerufen, geschrien, verzweifelt gewinkt und sich bewegt, um wahrgenommen zu werden - und um im Wasser warm zu bleiben: ein tödlicher Fehlschluss.

Kerstin Bruns erzählt, sie habe zwar "immer wieder angefangen zu frösteln". Dass sie sich dennoch nicht bewegte, hat ihr vermutlich das Leben gerettet. "Sonst hätte sie ihre Körperwärme viel zu schnell verloren. Nur wer unter Bedingungen der Lebensgefahr mit Menschen geschieht und wie sie sich richtig verhalten sollten, muss daher erfahrene Praktiker wie Fader und Bruns befragen.

Er muss seine Aufmerksamkeit auf bereits bekannte physikalische und physiologische Gesetzmäßigkeiten richten - so wie es etwa der Verkehrsphysiker Dirk Helbing und seine Kollegen vor einigen Jahren taten, als sie mithilfe einer Computersimulation das Panikverhalten von Menschenmassen analysierten, indem sie allein Geschwindigkeit und Gewicht der Menge sowie die Wechselwirkungskräfte der Individuen auf eine mathematische Gleichung brachten.

Meist sind es solche Blicke von außen oder Erfahrungsberichte, die offenbaren, was aus Momenten höchster Gefahr zu lernen ist. Im Beispiel Bruns lautete das zentrale physikalische Problem: drohende Konvektion, der Abtransport der Körperwärme durch Bewegung.

Grenzsituationen lassen sich kaum systematisch erforschen

Sich im Wasser zu bewegen, hat denselben Effekt wie starker Wind an Land - es führt Wärme ab. Ausgekühlte Hände, Arme und Beine aber werden steif, kontrollierte Bewegungen immer schwieriger.

Frances Ashcroft, Physiologin von der Universität Oxford, erklärt: "Nervensignale werden dann langsamer übertragen, die manuelle Geschicklichkeit nimmt ab und kalte Muskeln arbeiten langsamer."

Durch starke Bewegung in kaltem Wasser beschleunigt man diesen Prozess: "Je mehr warmes Blut fließt, desto größer ist der Wärmeverlust", sagt Ashcroft. Menschen, die solches Wissen in vergleichbaren Situationen nicht abrufen können, drohen durch falsches Verhalten ihr gesamtes physiologisches Gleichgewicht zu verlieren.

"Unter normalen Lebensbedingungen laufen im Körper Millionen fein aufeinander abgestimmter chemischer Reaktionen ab, wie bei einem Symphonieorchester, in dem alle Musiker voneinander abhängen", sagt der Extremmediziner Kenneth Kamler, der immer wieder Forscher und Abenteurer in die unwirtlichsten Regionen der Erde begleitet.

Ein paar Grad zu viel Wärme oder Kälte, etwas zu wenig Wasser oder Sauerstoff im Körper - und schon gerät das Mikroklima der Gewebe, in dem jede Nerven-, Muskeloder Körperzelle optimal funktioniert, aus den Fugen.

Die Konzentrationen von Elektrolyten wie Natrium-, Chlorid- und Kalziumionen an den Zellmembranen verschieben sich dann, was die Kommunikation zwischen den Zellen genauso stört wie deren Wasserhaushalt. Zellen trocknen aus oder zerplatzen, die Energieversorgung bricht zusammen, Giftstoffe sammeln sich an, Nervenimpulse erreichen ihr Ziel nicht mehr.

Im Körper bricht das Chaos aus und aus dem symphonischen Zusammenspiel wird eine Kakophonie des Todes. Wer auf hoher See plötzlich im Wasser landet, der vermeidet solche Folgen nach derselben Verhaltensregel, wie sie auch für Bergsteiger auf eisigen Gipfeln gilt: Er muss in jedem Fall die Kleidung anbehalten.

Unter 35 Grad schwindet das Denkvermögen

Auch das hat Kerstin Bruns richtig gemacht. Das umgebende Wasser tauscht sonst wie strömende Luft die dünne Schicht der Wärmeabstrahlung des Körpers gegen Kälte aus. Kleidung, selbst vollgesogene, isoliert in diesem Fall, unter Umständen sogar effektiver als trockene Kleidung an Land.

Denn an der Luft ist der Konvektionseffekt noch weniger kontrollierbar und oft wesentlich drastischer: Zwar ist die Haut einer angemessen gekleideten Person noch bei minus 29 Grad Celsius ungefährdet, doch durch den sogenannten Windchill-Effekt macht bereits eine Luftströmung von 16 Kilometern pro Stunde daraus minus 44 Grad Celsius.

Selbst geschützte Haut erfriert dann leicht innerhalb von Minuten. Deshalb ist ein Windschutz, etwa die in Polarforscherfilmen oft hilflos lächerlich wirkenden Zeltplanen, lebensrettend. Wen es ins ewige Eis zieht, sollte innerhalb einer halben Stunde in der Lage sein, aus Zeltplanen oder aus Schnee einen Windschutz zu bauen, sagen Survivalexperten.

Sonst leiden nicht nur Haut und Gliedmaßen, deren Blutgefäße sich zugunsten der Wärmeersparnis verschließen und kaum noch durchblutet werden, sondern auch die Planungsfähigkeit. Bei sinkender Körpertemperatur im Inneren von Rumpf und Kopf, der sogenannten Kerntemperatur, beginnt das Denkvermögen bereits von 35 Grad Celsius an zu schwinden.

Das Sprechen fällt schwer, der Mensch wird immer apathischer, das Erinnerungsvermögen ist beeinträchtigt, er kapselt sich immer weiter ab. Schon ein wenig Nässe und Wind reichen dazu völlig aus, wenn kein Schutz aufgesucht wird - wie etwa bei einem Ehepaar, das 19 Stunden auf einer in Seenot geratenen Yacht verbracht hatte.

Rettungskapitän Fader erzählt: "Die Frau hat nicht mal mehr mitbekommen,dass wir seit zwei Stunden damit beschäftigt waren, sie zu retten. Wir warfen ihr ein Seil zu, aber sie war nicht in der Lage, danach zu greifen.

Als ich mich dann auf ihrer Yacht um sie kümmern wollte, schaute sie mich ratlos an und fragte: "Wo kommen Sie denn her?" Hat solches Wahnerleben einmal über die Rationalität gesiegt, beschleunigt falsches Verhalten den Todesprozess. Irgendwann ist auch die letzte Energie des Körpers aufgebraucht, Muskeln können nicht mehr zittern und so Wärme generieren.

Die letzten Funken Lebenskraft mobilisiert

Der Mensch wird zum scheintoten Eisblock, bis unterhalb von 25 Grad Celsius Kerntemperatur auch der letzte Funke von Leben erlischt. "Das ist das Tiefkühlstadium des Stoffwechsels", sagt Frances Ashcroft.

Dann helfen nur noch, was nach allen bisherigen Erkenntnissen kleine Wunder zu sein scheinen. Bis heute fehlt Wissenschaftlern wie Ashcroft und Kamler jede Erklärung dafür, wie zum Beispiel der Bergsteiger Beck Weathers wieder zum Leben erwachen konnte, ein Teilnehmer jener tragischen Mount-Everest- Expedition von 1996, die Jon Krakauer in seinem Buch "In eisige Höhen" beschreibt.

Sie verstehen zu überleben

Der teilnehmende Arzt Kamler hatte den am Boden erstarrten Beck Weathers für tot gehalten und ihn am Berg zurückgelassen. "Weathers erzählte später, wie er in einen zeitlosen, traumartigen Zustand verfallen war, in dem er sich seiner Umgebung bewusst war, sich aber nicht rühren konnte", sagt Kamler.

Eine Stimme sei in sein Bewusstsein gedrungen, als jemand sich über ihn beugte und sagte: "Er ist tot." Doch zwei Tage später stand Weathers plötzlich in Kamlers Zelt. Er hatte die letzten Reserven seiner erloschen geglaubten Lebenskraft noch einmal mobilisieren können und den Weg zurück ins Basislager gefunden.

Kamler sagt: "Bei Windtemperaturen wie auf dem Mars, Sauerstoffmangel, ausgedörrt und erschöpft hätte er eigentlich gar nicht überleben dürfen." Aus solchen Episoden zu lernen, wie man Lebensgefahren meidet, ist nicht leicht.

Denn der Umgang mit Bedingungen, wie mancher Bergsteiger sie schon in den Hochgebirgen dieser Welt angetroffen hat, lässt sich kaum bis ins letzte Detail planen.

Hitze ist weitaus tückischer als Kälte

Außer schneidender Kälte kann Atemnot drohen und zugleich die Höhenkrankheit einsetzen: ein Konglomerat aus Symptomen, die vor allem durch den Mangel an Sauerstoff ausgelöst werden, möglicherweise auch durch den Säuregrad des Bluts, der mit der Menge von Kohlendioxid im Blut zusammenhängt: "Man kann nicht vorhersagen, wen es erwischt, denn die individuelle Fitness spielt keine Rolle", sagt Frances Ashcroft.

Etwa 40 Prozent aller Bergwanderer auf Höhen über 4000 Meter haben damit mehr oder weniger zu kämpfen. Dann hilft nur: Ruhe, Langsamkeit, Zeit zur Gewöhnung.

Auf diese Weise sind selbst Höhen von mehr als 8000 Metern ohne Sauerstoffgerät zu bewältigen, wie Reinhold Messner und Peter Habeler erstmals 1978 auf dem Mount Everest bewiesen haben. Jeder Schritt wurde zum Gewaltakt.

Die letzten hundert Meter zum Gipfel krochen sie über eine Stunde lang. "Wir waren nur noch eine einzige nach Luft schnappende Lunge", beschrieb Messner seinen Zustand. Den beiden Bergpionieren war der Vorstoß in die Todeszone gelungen, weil sie ihren Körper allmählich an die Höhenbedingungen gewöhnt hatten.

Die Zahl der roten Blutkörperchen hatte sich erhöht und damit die Fähigkeit des Bluts, mehr Sauerstoff zu transportieren. Der Schutz vor Kälte und der Umgang mit Sauerstoffmangel sind für Extremmediziner allerdings ein Kinderspiel verglichen mit der Aufgabe, sich an die Wüstenbedingungen anzupassen. "Hitze ist weitaus tückischer als Kälte", betont der Expeditionsarzt Kamler.

Denn der menschliche Temperaturspielraum nach oben sei viel knapper bemessen. "In einer Welt mit Temperaturunterschieden von über 60 Grad trennen uns von einer tödlichen Überhitzung unser ganzes Leben lang nur sechs Grad Celsius."

Schwitzen als gefährliche Wasserverschwendung

Die Physiologin Ashcroft erklärt, was passiert, wenn die Kerntemperatur steigt: "Über 41 Grad Celsius lösen sich die Körpereiweiße auf und die Zellen werden irreversibel geschädigt.

Bereits 43 Grad Celsius sind tödlich." Aus diesem Grund entscheidet in Wüstenregionen das Gelingen eines viel heikleren Vorhabens über Leben und Tod: Es gilt, die Hitze aus dem Körper herauszuhalten.

Der Körper besitzt mit der Fähigkeit zu schwitzen zwar ein außerordentlich effektives System - "es kann die Abfuhr von Wärme auf das Zwanzigfache steigern", sagt Frances Ashcroft, weil Schweiß auf der Haut wie ein mit Wasser benetzter Weinkühler aus Ton funktioniert, dessen Feuchtigkeit zum Verdunsten Energie benötigt und so Kälte erzeugt.

"Doch ist unser Schwitzen eine üble und gefährliche Wasserverschwendung", sagt Kenneth Kamler. Verliert der Körper unter Normalbedingungen ungefähr zwei Liter Wasser täglich, erhöht sich der Verlust durchs Schwitzen auf bis zu drei Liter pro Stunde - auf das Dreifache also des durchschnittlichen Mindestbedarfs an Flüssigkeit pro Tag.

In der Hitze ist Abwarten die beste Lösung

Deshalb empfehlen Überlebensexperten, in Wüsten tagsüber zu ruhen und sich nur abends oder nachts zu bewegen. Das begrenzt auf einfachste Weise den Flüssigkeitsverlust, auch wenn es dem Instinkt zuwiderläuft, sich in sengender Hitze still zu verhalten, statt sich einen kühlenden Luftstrom zu verschaffen.

Sie verstehen zu überleben

Der Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg bestätigt: Auch in der Hitze ist Abwarten die beste Lösung. Er hatte sich bei einer Wüstenexpedition den Fuß verstaucht und berichtete später: "Ich legte mich in den Schatten einer Felsspalte und wartete durstig auf meine Kumpane, die Wasser von der nächsten Oase bringen konnten."

Obwohl der Durst gewaltig war und Nehberg eine ganze Nacht lang warten musste, verließ er die Felsspalte nicht. Er konnte nicht sicher sein, dass die Kameraden es schafften. Den Schatten zu verlassen, wäre hingegen sein sicherer Tod gewesen.

In solchen Situationen gilt es, Wasser aus allem zu ziehen, was greifbar ist: den Tau von Blättern, aus Felsspalten und Dellen im Gestein, die Feuchtigkeit aus dem Fleisch von Kakteen und aus Wurzeln unter der Erde.

Auch das Blut von Tieren, selbst der eigene Urin kann dehydrierenden Menschen das Leben retten. "Urin ist nicht ganz so salzig wie das eigene Blut, deshalb hilft er immer noch ein bisschen, es zu verdünnen, sonst verändert es mit gefährlichen Folgen seine Fließeigenschaften", sagt Kenneth Kamler.

Verdurstend bis zum Horizont von Wasser umgeben

Allerdings solle man nur sehr wenig Urin zu sich nehmen. Denn der Harnstoff schädigt irgendwann die Nieren. Auf diese Art habe sich zum Beispiel der italienische Pentathlet Mauro Prosperi im Jahr 1994 vor dem Verdursten retten können, berichtet Kamler.

Der Mann war beim marokkanischen Marathon des Sables während eines Sandsturms in der Sahara vom Weg abgekommen und anschließend neun Tage weitergelaufen.

Als er schließlich versuchte, sich das Leben zu nehmen, um den Qualen des Verdurstens zu entgehen, war sein Blut bereits so dick, dass die Schnitte an den Pulsadern sich selbst verschlossen - rechtzeitig für seine Rettung durch eine Nomadenfamilie, die Prosperi mehr als 200 Kilometer entfernt von der Marathonroute fand.

Doch nicht nur willentlich und aus Verzweiflung beschleunigt mancher Verdurstende das eigene Ableben. Vor allem Menschen, die schiffbrüchig auf dem Meer treiben und bis zum Horizont von Wasser umgeben sind, gefährden sich auch durch falsches Verhalten.

Nicht von ungefähr lautet ein altes Seemannssprichwort: "Meerwasser macht wahnsinnig." Rettungskapitän Fader berichtet: "Das Trinken von Salzwasser ist nach Unterkühlung die zweithäufigste Todesursache auf Rettungsflößen."

Salzwasser lässt die Nervenzellen entgleisen

Viele Schiffbrüchige können der Versuchung nicht widerstehen und anstatt nur ihren Mund zu benetzen, fangen sie an, kleine Mengen Meerwasser zu verschlucken, die immer größer werden, bis jede Hemmung abgelegt ist.

Das steigert den Durst zusätzlich. Das Meersalz - chemisch Natriumchlorid - bringt das chemische Gleichgewicht im Körper durcheinander. Die elektrischen Systeme der Nervenzellen, die auf Natrium und Chloridionen basieren, entgleisen.

Kenneth Kamler sagt: "Dann handeln Schiffbrüchige vollkommen irrational, halluzinieren und Dabei kann Salzwasser auch zum Lebensretter werden, wenn man es nur in kleinsten Mengen zu sich nimmt: Wer es schafft, weniger als einen halben Liter pro Tag zu trinken, gewinnt Zeit, weil er nicht schon nach drei bis vier Tagen bewusstlos wird und stattdessen länger nach Hilfe Ausschau halten kann.

Nach etwa einer Woche versagen allerdings die Nieren wegen der hohen Salzkonzentration ihren Dienst - mit tödlichen Folgen. Um Salzwasser so kontrolliert zu trinken und sich zu Ruhe und Langsamkeit zu zwingen, braucht der in extreme Not geratene Mensch allerdings neben den nötigen Kenntnissen auch den eisernen Willen, sein Wissen anzuwenden.

Sie verstehen zu überleben

Survivalexperten wie der frühere Bundeswehr-Einzelkämpfer Heinz Volz, Autor des Buchs "Überleben in Natur und Umwelt", kommen in ihren Überlebensgrundsätzen indirekt auf dieses Problem zu sprechen: "Überleben kannst du nur, wenn du den Willen dazu hast! Rettung ist nur möglich, wenn du Panik vermeidest und Furcht überwindest. Beherrsche jede Situation! Lass dich nicht von ihr beherrschen!"

Überleben erfordert Disziplin - die Persönlichkeitsstruktur ist egal

Ist Überleben also auch eine Frage der psychologischen Ausstattung eines Menschen? "Nein, man kann nicht sagen, dass ein bestimmter psychologischer Typus in solchen Situationen im Vorteil und ein anderer im Nachteil wäre", sagt Bernd Johannes, Psychologe am DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin.

Das Angesicht des Todes kann jeden Menschen zu unüberlegten Handlungen treiben. Ein hohes Maß an Sensibilität etwa, wie sie dem sogenannten reaktiven Typ eigen ist, der stark auf sämtliche Reize reagiert, kann einerseits zu schnellen, falschen, gefährlichen Aktionen führen.

Andererseits könne unter Umständen dieser Typ auch "gerade durch seine Sensibilität besser mit einer Situation zurechtkommen als der weniger Sensible", sagt Johannes.

Erproben und untersuchen lässt sich das natürlich nicht. Zusammengefasst lautet das Urteil der Experten daher: Wie man die bekannten psychologischen Faktoren auch dreht und wendet, sie scheinen weniger wichtig zu sein als Erfahrung und praktisches Wissen.

"Egal, welche Persönlichkeitsstruktur, egal, ob du alt bist oder jung: Wenn man keine Handlungsstruktur hat, ist man eher gefährdet", meint Psychologe Johannes.

So bleiben es die beispielhaften Erfahrungen von Seeleuten, Bergbezwingern, Polarforschern, Wüstenwanderern und Einzelkämpfern, deren schmerzvoll gesammeltes Überlebenswissen sich in extremen Situationen bezahlt macht - auch wenn die kleinste gemeinsame Lehre daraus in Momenten höchster Gefahr für den gewöhnlichen Menschen nahezu unerfüllbar zu sein scheint: immer mit der Ruhe.

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