Supraleiter:Temperaturrekord bei minus 83 Grad

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Manche Materialien verlieren jeden elektrischen Widerstand, wenn sie gekühlt werden. Bei der Fahndung nach der höchsten Temperatur melden Mainzer Forscher einen neuen Rekord - abseits der üblichen Suchmuster.

Von Christopher Schrader

In der Physik zeichnet sich die Möglichkeit ab, dass demnächst ein neuer, höchst überraschender Rekord für supraleitende Materialien verkündet wird. Ein Forscherteam vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz berichtet in einer noch nicht begutachteten Vorveröffentlichung davon, dass Schwefelwasserstoff unter hohem Druck bei minus 83 Grad Celsius seinen elektrischen Widerstand sprunghaft verliere. Bisher lag der Rekord bei minus 109 Grad.

Viele Physiker sind von der möglichen Entdeckung fasziniert, vermutlich werden derzeit in vielen Laboren weltweit bereits Experimente vorbereitet, um die Mainzer Messungen nachzuvollziehen. "Wenn das Resultat bestätigt wird", sagte Robert Cava von der Princeton University in Nature, "wäre das eine historische Entdeckung."

Die Forscher um Mikhail Eremets lehnen es bislang ab, weitere Auskünfte zu ihrer Arbeit zu geben, so lange diese nicht publiziert ist. Sie beschreiben sie allerdings im Detail in einem Manuskript auf dem Arxiv-Server, wo sich Physiker schon vor Begutachtung und Veröffentlichung gegenseitig über ihre Arbeit informieren.

Demnach hat das Mainzer Team den möglichen Rekord nicht mit einer kupferhaltigen Keramik, also einem der sogenannten Hochtemperatur-Supraleiter erzielt. Schwefelwasserstoff gehört zu einer ganz anderen Klasse von Materialien. Das Team hat das giftige Gas in einer Zelle mit Diamantstempeln erst unter hohen Druck gesetzt und dann so lange gekühlt, bis die Probe ihren elektrischen Widerstand verlor. Der Druck erreichte dabei 200 Gigapascal, das entspricht etwa dem Gewicht von zehn vollbesetzten Mittelklasse-Limousinen auf einem Quadratmillimeter. Er hilft den Elektronenpaaren, die für die Supraleitung verantwortlich sind, zusammenzubleiben.

Laut dem Manuskript haben die Forscher zwei verschiedene Zustände der Supraleitung gefunden. Welchen das Material einnahm, hing von der Ausgangstemperatur ab, bei der die Forscher die Probe unter Druck setzten, bevor sie diese weiter abkühlten. War das Material zu Beginn des Versuchs bereits sehr kalt, zeigte es bei 200 Gigapascal und minus 123 Grad Supraleitung. Den möglichen neuen Rekord von minus 83 Grad erreichten die Forscher erst, als sie mit deutlich wärmerem Material anfingen. Für eine mögliche Anwendung ist der Schwefelwasserstoff unter Druck aber vermutlich ungeeignet. Das Team regt an, wasserstoffhaltige Kohlenstoff-Verbindungen zu untersuchen.

© SZ vom 18.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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