Südostasien:Staudämme gefährden die Ernährung von Millionen Menschen

Südostasien: Ein Fischer wirft in Laos sein Netz in den Mekong. Die Staudämme, die in dem Fluss gerade entstehen, haben dramatische Auswirkungen auf die Fischvorkommen.

Ein Fischer wirft in Laos sein Netz in den Mekong. Die Staudämme, die in dem Fluss gerade entstehen, haben dramatische Auswirkungen auf die Fischvorkommen.

(Foto: Roslan Rahman/AFP)

Fischer am Mekong fangen deutlich weniger, weil die Tiere ihre Laichplätze nicht mehr erreichen. Wissenschaftler befürchten eine Hungersnot.

Von Richard Stone

Immer im April schwammen die Nyawn-Welse den Mekong aufwärts zu ihren Laichplätzen. Unterwegs mussten sie sich im Süden von Laos durch eine Engstelle drängen. Dort warteten die Fischer. Jedes Jahr fingen sie Hunderttausende der daumengroßen Tiere in ihren Netzen. Dann begann im Jahr 2014 die Arbeit an einem großen Staudamm. "Obwohl es noch mehrere Jahre dauern wird, bis der Don-Sahong-Damm fertig ist, hat er bereits den Weg der Fische abgeschnitten und die kommunale Fischerei zerstört", sagt Zeb Hogan, ein Fischereibiologe der Universität von Nevada, Reno. "Diesen Fischfang gibt es nicht mehr."

Es ist nur ein kleines Beispiel in einer Nahrungsmittelkrise, die derzeit das gesamte Mekongdelta bedroht. Gleichzeitig bauen Laos und andere Länder, die nach elektrischer Energie hungern, immer mehr Staudämme im Mekong. Der Fluss schlängelt sich durch Myanmar, Laos, Thailand, Kambodscha und Vietnam. Laos will 2017 mit dem Bau eines weiteren Dammes beginnen: Pak Beng, nah an der Grenze zu Thailand. Weil die Dämme die Wanderrouten der Fische blockieren und das Mekongdelta von der Zufuhr von Sedimenten abschneiden, könnten die Fischer im Mekong-Becken mehr als ein Drittel ihrer Fänge einbüßen - ein schwerer Schlag für die 60 Millionen Menschen der Region.

Um das doch noch zu verhindern, fordern Umweltschützer und Wissenschaftler von den Baufirmen, tierfreundliche Turbinen und Schleusen für Wanderfische in die Dämme einzubauen. Einige Wissenschaftler glauben, dass das helfen würde. Andere sind überzeugt, dass die Fischerei nur zu retten ist, wenn ein paar der Damm-Projekte ganz fallen gelassen werden. "Ich bin bereit, Teile des Flusses zu opfern, wenn wir die Regierung davon überzeugen können, den Rest in Ruhe zu lassen", sagt Ian Cowx, Fischereibiologe der Universität von Hull in Großbritannien. "Wenn wir den unteren Mekong am Fließen halten können, gibt es zumindest eine Chance."

Laos will zur Batterie Südostasiens werden

Dort hat Laos die ehrgeizigsten Pläne. Regierungsbeamte sagen, das Land strebe danach, zur "Batterie Südostasiens" zu werden. Die Arbeit am ersten Staudamm, Xayaburi, begann bereits im Jahr 2010. Bedenken von Kambodscha und Vietnam, den flussabwärts gelegenen Nachbarländern von Laos, wurden ignoriert. Der Xayaburi-Damm wird vermutlich im Jahr 2019 fertig. Weiter flussabwärts geht die Arbeit am Don Sahong schnell voran. Im vergangenen Monat appellierte die Koalition "Rettet den Mekong", eine Allianz von Nichtregierungsorganisationen, an das zuständige Bauunternehmen, die Arbeiten zu stoppen, bis es "verständliche Informationen zu den ökologischen und sozialen Auswirkungen des Projektes" gebe.

Die vielleicht größte Bedrohung geht aber wahrscheinlich von einem Staudamm in Kambodscha aus: Der Lower Sesan 2 am Sesan-Fluss, der in den Mekong mündet, könnte den Fischfang im Flussdelta um etwa neun Prozent reduzieren, schätzen Experten.

Der Meeresspiegel steigt kontinuierlich an

Einige Bauunternehmen versuchen mittlerweile, die Dämme so zu bauen, dass der Schaden für die Fischerei minimiert wird. Der Konzern Xayaburi Power hat angeblich 400 Millionen Dollar dafür ausgegeben, seinen Damm mit umweltfreundlichen Einrichtungen auszustatten. Unter anderem mit Schleusen, die es den Fischen ermöglichen sollen, den Damm zu passieren. Das ist "ein Zeichen für die anderen Unternehmen, dass sie ökologische Bedenken nicht ignorieren können", sagt Hogan. Aber Cowx bezweifelt, dass das "ungetestete" System im Mekong funktionieren wird, wo die Wanderfische sehr unterschiedliche Größen von wenigen Zentimetern bis hin zu einigen Metern haben.

Südostasien: SZ-Karte; Quelle: sciencemag.org, WLE Greater Mekong

SZ-Karte; Quelle: sciencemag.org, WLE Greater Mekong

Doch selbst wenn die Fische durchkommen, gibt es weitere Probleme. Durch die Wasserspeicher würden hinter den Dämmen Laichplätze zerstört, sagt Cowx. Außerdem könnten die Fischlarven in stehendem Wasser wahrscheinlich nicht überleben. In der Nähe der Flussmündung könnte zudem der Eintritt von Salzwasser den Fischen schaden. Der Meeresspiegel steigt nämlich kontinuierlich an: wegen des Klimawandels, aber auch wegen der vielen Staudämme. Sie schneiden den Fluss von Sedimenten ab, die vorher dazu beigetragen haben, das Delta über Meeresniveau zu halten.

"Die Erosion ist schrecklich"

Chinas Dämme im oberen Teil des Mekong haben die Sedimentzufuhr "im Grunde gestoppt", sagt Matti Kummu, Wasserexperte an der Aalto-Universität in Espoo, Finnland. Schon jetzt, sagt Cowx, entschlammt sedimentarmes Wasser die Flussufer in Laos und Thailand. "Die Erosion ist schrecklich." Dämme im unteren Teil des Mekong werden das Problem verschärfen.

Die Autoren eines Artikels in der Fachzeitschrift Global Environmental Change haben schon im Jahr 2012 vorhergesagt, dass die jährliche Fischausbeute im unteren Mekong um bis zu 880 000 Tonnen abnehmen könnte, wenn alle geplanten Dämme gebaut werden.

Manche Süßwasserfische im Mekong gehören zu den größten der Welt

In der Region leben acht Spezies von Süßwasserfischen, die zu den größten der Welt gehören. Manche von ihnen gelten schon jetzt als gefährdet. Die großen Fische wandern Hunderte Kilometer, um zu laichen. "Dämme könnten ihr Schicksal besiegeln", sagt Hogan, der die riesigen Fische erforscht. Kaum ein Wissenschaftler erwartet einen glücklichen Ausgang der Krise im unteren Mekong-Becken. Auch deshalb, weil die "Mekong River Commission", eine beratende Institution, die von den unteren Mekong-Nationen eingerichtet wurde, zwar Beschwerden äußern und Baufirmen auffordern kann, die Dämme nach ökologischen Gesichtspunkten zu optimieren. Doch sie hat nicht das Recht, Bauarbeiten zu stoppen.

Vietnam und Kambodscha sollten Laos dafür bezahlen, keine weiteren Dämme zu bauen, schlagen manche vor. In Vietnam "flippen sie aus, wegen den Geschehnissen auf dem Fluss", sagt Cowx. Er glaubt, dass Laos vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gebracht werden könnte, wenn die Ernährung der Menschen in der Region nicht mehr gewährleistet ist. Aber dann, "wird es zu spät sein", um den Fluss zu retten.

Dieser Text ist im Original in dem internationalen Wissenschaftsmagazin "Science" erschienen, herausgegeben von der AAAS. Weitere Informationen: www.sciencemag.org, dt. Bearbeitung: mwp.

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