Sudoku-Weltmeisterschaft in London:In einem Saal mit Kronleuchtern sitzen die Teilnehmer wie Abiturienten bei der Klausur

Schnelligkeit muss sein, denn bei der Weltmeisterschaft kämpfen sich die Teilnehmer durch Dutzende Sudokus, die Stoppuhr im Rücken. In einem großen Saal mit Kronleuchtern an der Decke sitzen die 176 Teilnehmer wie Abiturienten bei der Abschlussklausur in langen Stuhlreihen. Aus elf Runden besteht die Vorentscheidung bei der WM, in jeder bekommen die Spieler ein neues Heftchen mit Rätselfeldern vorgelegt. Die zehn Zahlenkünstler mit den meisten gelösten Sudokus kommen weiter.

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Erfahrene Sudoku-Tüftler sehen sofort, wohin welche Zahl gehört. Für einen Platz bei der Weltmeisterschaft reichen solch simple Einsichten aber nicht.

(Foto: Adrian Dennis/AFP)

Bei Kerstin Wöge läuft es nicht wie erhofft. "Ich bin bisher mit jeder Runde schlechter geworden", seufzt sie am Ende des ersten Tages. Die Sudokus, die in Zeitschriften abgedruckt werden, löst sie zwar mühelos. Bei den Aufgaben der WM handelt es sich aber zum Teil um spezielle Kost, komplexe Varianten von Sudoku, von denen es mittlerweile Dutzende gibt. Sie tragen Namen wie Clone Sudoku, Cylindrical Sudoku oder No Touch Sudoku. Bei ihnen müssen Spieler zusätzliche Bedingungen beachten, wenn sie die Felder ausfüllen. Beim "Killer Sudoku" zum Beispiel, Kerstin Wöges Lieblingsvariante, ist die Summe benachbarter Felder vorgegeben.

"Wenn sie das Standard-Sudoku Tausende Mal gemacht haben, suchen die meisten Menschen eine neue Herausforderung", sagt der deutsche Teamcoach Stefan Heine. Er gestaltet hauptberuflich Sudokus und verkauft sie. Zusammen mit anderen Rätselfreunden trägt er dazu bei, dass der Community der Stoff nicht ausgeht. Auf Blogs und in Foren tauschen sich die Rätselfans regelmäßig aus. 6,6 Trilliarden verschiedene Sudokus kann es theoretisch geben - in der Standardvariante. Die Fülle ist aber fast zweitrangig. "Ich würde es nicht merken, wenn man mir nach einem halben Jahr wieder dasselbe Sudoku vorsetzt", sagt Kerstin Wöge.

Ihr Kopf brauche eben immer etwas zum Arbeiten, sagt die Studentin, deswegen knoble sie so gerne. Sudoku-Junkies beschreiben das Spielen als "totales Abtauchen". Sie schwärmen von dem Erfolgserlebnis, das sich einstellt, wenn sich bei einem weitgehend gelösten Sudoku die letzten offenen Lücken wie von selbst schließen. "Das hat schon etwas Ästhetisches", sagt der Mathematiker Robert Vollmert aus dem deutschen Team. Bei einem guten Rätsel könne man verfolgen, was sich der Ersteller der Aufgabe gedacht habe, die "Handschrift des Autors" werde sichtbar.

"Es geht auch ums Aufräumen, darum, Ordnung ins Chaos zu bringen", sagt Stefan Heine, der Teamcoach. Eskapismus für Menschen, die die Kehrwoche schätzen - ist diese Mischung das geniale Geheimnis hinter den Zahlenquadraten? Vielleicht erklärt sie zumindest die Hingabe der Teilnehmer bei der WM. Sie müssen Anreise, Unterkunft und Turniergebühren selbst zahlen, 800 Euro sind das pro Person, der Flug noch nicht eingerechnet. Ein Preisgeld, mit dem man diese Kosten wieder reinholen könnte, gibt es nicht. Ist die Sudoku-WM also wenigstens Urlaub? "Ja, aber er wirkt nur bedingt entspannend", sagt ein Teilnehmer.

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