Suche nach Kleopatras Grab:Wilde Spekulationen

Archäologen in Ägypten wollen westlich von Alexandria die Grabstätte Kleopatras und ihres Geliebten Marcus Antonius finden. Althistoriker halten das für aus der Luft gegriffen.

Johan Schloeman

Die Mitteilung der ägyptischen Antikenverwaltung, kurz vor der Entdeckung der Grabstätte von Antonius und Kleopatra zu stehen, ist nach Ansicht führender deutscher Fachleute nach jetzigem Stand vollkommen haltlos.

Suche nach Kleopatras Grab: Zahi Hawass von der ägyptischen Antikenverwaltung zeigt sich überzeugt: In Taposiris Magna könnte das Grab von Kleopatra und Marcus Antonius gefunden werden.

Zahi Hawass von der ägyptischen Antikenverwaltung zeigt sich überzeugt: In Taposiris Magna könnte das Grab von Kleopatra und Marcus Antonius gefunden werden.

(Foto: Foto: AP)

Der umtriebige ägyptische Antikenchef Zahi Hawass hatte in der letzten Woche die Hoffnung ausgedrückt, einen solchen Fund bei Grabungen in einem Isis-Heiligtum in Taposiris Magna, fünfzig Kilometer westlich von Alexandria, machen zu können.

"Davon ist gar nichts zu halten", sagte Christoph Schäfer, Professor für Alte Geschichte an der Universität Trier und Autor einer 2006 veröffentlichten umfassenden Kleopatra-Biographie, der Süddeutschen Zeitung.

"Ich glaube das nicht", schließt sich Manfred Clauss an, emeritierter Althistoriker in Frankfurt am Main, Kenner der ägyptischen, hellenistischen und kaiserzeitlichen Geschichte und Autor von Monographien über Kleopatra und die Stadt Alexandria in der Antike. Dieser Vorstoß sei ein weiterer Versuch von Zahi Hawass, mit Mutmaßungen anstelle von belegten Funden und mithilfe von elektrisierenden Namen wie Kleopatra die Weltöffentlichkeit zu erreichen, sagte Manfred Clauss im Gespräch mit der SZ.

Und Hans-Joachim Gehrke, dem Präsidenten des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin, das an guten Beziehungen zur ägyptischen Archäologie interessiert ist, war auch keine Bestätigung des bevorstehenden Fundes zu entlocken, sondern nur die Stellungnahme: "Wir sind sehr gespannt auf den weiteren Fortgang der Grabungen."

Die Nase Kleopatras

Ein berühmter Aphorismus von Blaise Pascal lautet: "Die Nase Kleopatras: Wäre sie kürzer gewesen, das ganze Gesicht der Erde wäre verändert worden." Falsch an dieser Aussage ist, dass wir nicht wissen, ob es ausgerechnet an der Nase lag, dass die letzte Herrscherin Ägyptens aus dem Haus der Ptolemäer, Kleopatra VII. (69 bis 30 vor Christus), so viel Eindruck auf die großen Männer Roms gemacht hat.

In antiken Quellen wird die besondere Wirkung ihrer Nase nicht erwähnt, mal wird Kleopatra als schön, mal nur als unglaublich einnehmend beschrieben; auf Münzporträts ist die Nase in der Tat recht ausgeprägt, in Marmorbildnissen nicht. Die von dem Archäologen Bernard Andreae vor zwei Jahren in einer Hamburger Ausstellung vorgeschlagene Identifizierung der berühmten "Venus vom Esquilin" (mit abgebrochener Nasenspitze) mit einer von Julius Cäsar in Rom aufgestellten Kleopatra-Statue ist umstritten.

Richtig an dem Gedanken Pascals aber ist, dass irrationale Kräfte wie die Liebe ganz rational als Wirkkräfte der Weltgeschichte in Rechnung gestellt werden müssen. Immerhin hat Kleopatra zwei der mächtigsten Politiker der zerbrechenden römischen Republik mit orientalischem Pomp und Liebreiz um den gepflegten Finger gewickelt: den 44 vor Christus ermordeten Cäsar und einen der Rächer seines Mordes, Marcus Antonius.

Letzterer wurde von seinem vormaligen Verbündeten Oktavian, der beanspruchte, der wahre Erbe Cäsars zu sein, im Herbst des Jahres 31vor Christus in einer Seeschlacht bei Actium vor der westgriechischen Küste geschlagen und bis nach Ägypten verfolgt.

Damit zerschlug sich auch das Projekt Kleopatras, mit Mark Anton zusammen ein Doppelherrschertum im östlichen Mittelmeerraum zu etablieren. Im Spätsommer 30 v.Chr. brachte sich zuerst Antonius mit dem Schwert um. Er starb möglicherweise in Kleopatras Armen.

Sensation für den Tourismus

Sodann gelang es der stolzen Herrscherin - die seit jener Seeschlacht des Vorjahres mehrere Exit-Strategien vorbereitet und begonnen hatte, sich ein prächtiges Mausoleum zu bauen -, während der Anwesenheit des Eroberers Oktavian in Alexandria ebenfalls Selbstmord zu begehen. Dies geschah wahrscheinlich mit Gift; der legendäre Tod durch Schlangenbiss allerdings wird von modernen Historikern und Toxikologen bezweifelt.

Die letzte Nachfolgedynastie Alexanders des Großen und das jahrtausendealte Pharaonentum Ägyptens gingen damit zu Ende. Der Sieger Oktavian gewährte in einer Geste der Großherzigkeit, dass Kleopatra neben Antonius in ihrem Mausoleum in Alexandria begraben wurde, und beschritt fortan, seit 27 vor Christus "Augustus" genannt, den Weg ins Weltreich des römischen Kaisertums.

Grund zur Skepsis

So viel ist gesichert. Was folgte, waren allerlei künstlerische Ausschmückungen bis zu Shakespeare, Asterix und Elizabeth Taylor, sowie Spekulationen über den Ort von Kleopatras Palast und Grab. Letzteres will Zahi Hawass nun zusammen mit Kathleen Martinez, einer gelernten Rechtsanwältin und Archäologie-Autodidaktin aus der Dominikanischen Republik, in der Tempel- und Grabanlage in Taposiris Magna entdeckt haben (übrigens in unmittelbarer Nähe zur Sommerresidenz von Staatspräsident Mubarak).

Nichts gegen Autodidakten - Heinrich Schliemann war auch einer -, aber was die beiden Archäologen ihren Mitteilungen zufolge bisher in der Hand haben, ist äußerst dünn. Der Hauptgrund zur Skepsis ist der Ort selbst: Auch bei möglichst vorsichtiger kritischer Sichtung belegen die antiken Geschichtsquellen eindeutig, dass Antonius und Kleopatra im Mausoleum der Königin begraben wurden.

Und dieses befand sich, sagt Kleopatra-Experte Christoph Schäfer, "definitiv im Palastbezirk in Alexandria", in dem Bereich mithin, der heute im Hafen der Stadt unter Wasser liegt. Also nicht 50 Kilometer von Alexandria entfernt. Schließlich achtete der Eroberer Oktavian damals mit seinen Truppen penibel darauf, dass Kleopatra und ihr Königsschatz nicht die Residenzstadt verlassen konnten.

Dass man einen Ort gewählt habe, um die Leichname des gescheiterten Liebespaars "vor den Römern zu verstecken", wie Hawass mitteilt, dafür gibt es keinen Anhaltspunkt. Und auch nachher, als die römische Herrschaft in Ägypten etabliert war, gab es, so Schäfer, "keine Gründe, Kleopatra umzubetten".

Ebenfalls wenig Beweiskraft haben die jetzt präsentierten Funde an Ort und Stelle - so etwa ein neuer Marmorkopf und Münzen, die Kleopatra darstellen: Solche Herrscherporträts gab es allenthalben in Ägypten. Und dass Zahi Hawass eine ebenda gefundene Maske mit Antonius identifiziert, weil sie eine "Spalte am Kinn" und damit "eine gewisse Ähnlichkeit" mit dem großen Römer habe, kann für sich sprechen.

Es mag sich bei dem Fundort um eine historisch aufschlussreiche Anlage handeln, und man wird die Erkundung der drei dort freigelegten Grabschächte, die in diesen Tagen beginnt, mit Interesse verfolgen. Kleopatra indes könnte sich bei dem Versuch, sie für eine schon vor dem Fund angekündigte "Sensation" im Sinne der ägyptischen Tourismuspolitik einzuspannen, wieder einmal als recht zickig erweisen.

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