Süddeutsche Zeitung

Suche nach außerirdischem Leben:"Die Erde hatte sehr viel Glück"

Ein Milliardär gibt 100 Millionen Dollar für die Suche nach E.T. aus. Astrophysiker Tilman Spohn über die Gefahren eines Funkkontakts - und die Chancen, eine zweite Erde zu finden.

Interview: Christoph Behrens

Seit mehr als 50 Jahren suchen Astrophysiker im Rahmen des Programms "Suche nach extraterrestrischer Intelligenz", kurz Seti, nach Funksignalen Außerirdischer. Der russische Milliardär Jurij Milner hat nun angekündigt, die Initiative mit 100 Millionen Dollar zu unterstützen. Tilman Spohn, oberster Planetenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, über die Frage, wie sich (intelligentes) Leben im All entdecken lässt.

SZ: Herr Spohn, erhöhen 100 Millionen Dollar die Wahrscheinlichkeit, intelligente Wesen im Weltraum zu finden?

Spohn: Die Grundidee ist, dass da draußen ein Planet ist, auf dem eine Zivilisation lebt, die Radiowellen nutzt und aussendet. So starke Signale, dass sie uns erreichen. Das Problem ist, dass die Intensität solcher Wellen exponentiell kleiner wird, je länger sie unterwegs sind. Man braucht deshalb zunehmend empfindlichere Antennen. Dazu wollen die Seti-Wissenschaftler jetzt spezielle, hochempfindliche Antennen in West Virginia und Australien reaktivieren. Ziel ist es, bis zu 100 Millionen Sternensysteme in der Milchstraße abzusuchen. Man kann nur wünschen, dass sie Erfolg haben.

Seti horcht seit mehr als 50 Jahren das All ab, ohne Erfolg. Ist das die richtige Taktik?

Was sonst? Ich wüsste nicht, was man alternativ tun könnte, um intelligente Wesen zu finden, außer nach elektromagnetischen Wellen zu suchen. Wenn man ein ungewöhnliches Signal sehen würde, bestünde zumindest die Chance, dass es von jemandem kommt, der weiß, wie man Radiowellen sendet.

Wäre es nicht einfacher, zunächst primitive Lebensformen zu suchen, statt gleich E.T.?

Diese Strategie verfolgen die meisten Astrobiologen: Sie möchten zunächst wissen, ob es Leben außerhalb der Erde gibt. Ich kann aber nicht davon ausgehen, dass Mikroben Radiowellen modulieren. Mit der einen Technik sucht man also nach intelligenten Wesen tief im All. Die Methode, um primitive Lebensformen zu finden, ist in der Distanz beschränkter.

Nach was hält man dabei Ausschau?

Man sucht nach Planeten in einer habitablen, also lebensfreundlichen Zone. Der Abstand zum Zentralstern sollte stimmen, und die Temperatur auf der Planetenoberfläche sollte nicht zu niedrig oder zu hoch sein, sodass flüssiges Wasser vorhanden ist. Aber das heißt noch nicht, dass auch Leben entstanden ist. Leben auf der Erde ist ja nicht dafür bekannt, Wasser zu erzeugen, sondern Sauerstoff. Erst dieser Prozess - Fotosynthese - wäre ein Anzeichen von Leben.

Vielleicht basieren fremde Lebensformen gar nicht auf uns bekannten Molekülen.

Das ist denkbar, es rührt an der Frage, was Leben eigentlich ist. Stoffwechsel, Reproduktion - diese beiden Dinge gehören sicher dazu. Aber Computerprogramme können sich auch selbst vervielfältigen - ist das Leben? Es zeigt die Schwäche dieser Kriterien. Es gibt noch keine eindeutige, allgemein akzeptierte Festlegung, was Leben ist, und daher auch kein allgemeines Rezept, um es zu suchen. Man behilft sich mit "Leben, das wir von der Erde kennen".

Die Suche nach außerirdischem Leben ist also vom irdischen Erleben geprägt?

Zu weiche Kriterien von Leben sind nicht hilfreich. In der Not sucht der Wissenschaftler Variationen zu dem, was er von der Erde kennt, ersetzt vielleicht Wasser mit anderen Flüssigkeiten. Diese Gedankenspiele gibt es für den Mars: Wenn man Wasserstoffperoxid statt Wasser voraussetzt, dann wäre Leben dort von den Temperaturen her leichter vorstellbar. Natürlich kann man auch überlegen, dass Leben auch ganz anders sein könnte, aber dann hat der Wissenschaftler Probleme, das zu beweisen, da hängt er in der Luft.

Wann sind die Teleskope so weit, dass sie handfeste Zeichen biologischen Lebens entdecken?

Zur Zeit sind wir hauptsächlich daran interessiert, Planeten zu entdecken. In den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten sollten wir dann in der Lage sein, bei erdähnlichen Kandidaten Biomarker festzustellen. Das geplante James-Webb-Weltraumteleskop soll unter Führung der USA in den nächsten fünf Jahren starten und wird eine hervorragende Auflösung haben. Auch europäische Wissenschaftler planen eine Spektroskopie-Mission, um die chemische Zusammensetzung von Exoplaneten zu untersuchen. Sie könnte in zehn bis 20 Jahren starten.

Es gibt auch die These, dass intelligente Wesen uns längst entdeckt hätten, sollte es sie geben. Innerhalb von wenigen Millionen Jahren hätte eine solche Zivilisation die Galaxie besiedelt.

Dieses Argument basiert auf der Drake-Gleichung, einer Multiplikation von Wahrscheinlichkeiten - wie viele Sterne gibt es in der Galaxie, wie viele Planeten pro Stern, wie wahrscheinlich ist es, dass sie die richtige Größe haben und in der habitablen Zone liegen. Ich würde etwas anders argumentieren. Wenn man sich die Geschichte der Erde ansieht, kann man sagen, dass die Erde ziemliches Glück hatte. Es gibt viele Gefährdungen, die dem Leben auf diesem Planeten ein Ende setzen könnten. Ein großer Meteoriteneinschlag, Strahlungsereignisse der Sonne, Supernovae, Supervulkane. Es gibt eine delikate Balance der Stoffkreisläufe auf der Erde, von CO₂, Wasser, selbst der Mond stabilisiert das Klima. Das funktioniert alles wunderbar.

Da fragt man sich, ob das bei einem x-beliebigen Planeten auch so ist. Zum Beispiel Plattentektonik - wir wissen, dass ein Planet so etwas normalerweise nicht macht. Wir sind aber überzeugt, dass sich Leben ohne Plattentektonik nicht so entwickeln könnte; sie sorgt als globales Recycling-System dafür, dass sich die Oberfläche des Planeten erneuert. Oder ein Magnetfeld wie unseres, das schädliche Strahlung fernhält: So etwas gibt es nicht auf jedem Planeten. Eine Reihe von Dingen sind also auf der Erde besonders. Wenn man fragt, wie häufig Planeten mit all diesen Faktoren sind, kommt man wahrscheinlich auf eine eher geringe Zahl.

Manche bei Seti wollen nicht nur horchen, sondern auch Signale senden.

Ich bin nicht so sicher, was man damit bezweckt. Wie Stephen Hawking gesagt hat: Das könnte auch gefährlich sein. Wenn wir uns von höher entwickelten Zivilisationen entdecken lassen, könnte das übel ausgehen. Sie hätten womöglich die Methoden, uns anzugreifen. Hawking meint, die Geschichte der Menschheit lehre uns, dass die Begegnung zweier Zivilisationen oft nicht gut ausgeht für die Belagerten.

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SZ vom 23.07.2015
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