Stürme als Energiequelle:Das Hurrikan-Kraftwerk

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Hurrikan Dean im Jahr 2007 vom Weltraum aus betrachtet (Foto: ddp)

Mit gigantischen Windparks vor der Küste könnte man Hurrikane zähmen und nebenbei saubere Energie ernten, glauben US-Forscher. Doch der Plan ist aberwitzig.

Von Christopher Schrader

Mit großen Offshore-Windparks könnten die USA nicht nur viel Strom erzeugen, sondern sich womöglich auch vor Hurrikanen schützen. Die Turbinen auf See würden die Wirbelstürme "zähmen", bevor sie das Land erreichen, haben US-Forscher berechnet. Allerdings müssten die Windparks enorme Ausmaße erreichen: Die Wissenschaftler kalkulieren mit 78 000 bis 540 000 Generatoren des größten verfügbaren - deutschen - Designs.

Das Team um Mark Jacobsen von der Stanford University ist der Frage nachgegangen, wie sich Windräder in den starken Winden verhalten, die am Rand eines herannahenden Hurrikans wehen. Die Anlagen entnehmen dem Sturm schließlich Energie, um Strom zu erzeugen. Das dämpfe die Winde und verkleinere die Wellen auf See, schließt das Team, sodass der Druck im Auge des Hurrikans ansteige und sich der Sturm abschwäche. Die Turbinen müssten sich nicht einmal abschalten, wie sonst aus Sicherheitsgründen bei Sturm. Die Forscher haben den Effekt der gezähmten Hurrikane mit einem neuen Wettermodell nachgerechnet, das die Wirkungen der Turbinen auf die strömende Luft berücksichtigt. Als Beispiel dienten ihnen die Hurrikane Katrina, der 2005 New Orleans verwüstete, und Sandy, der 2012 New York traf. Katrinas Winde hätten durch Windparks vor der Küste um 150 Kilometer pro Stunde geringer ausfallen können, die Flutwelle wäre auf ein Fünftel zurückgegangen, zeigte die Rechnung. Bei Sandy hätten die Turbinen die Flutwelle immerhin auf zwei Drittel ihrer Höhe reduziert.

Trotz dieser günstigen Zahlen ist kaum zu erwarten, dass die USA nun ihre Strategie der Hurrikan-Vorbereitung überdenkt. Schon Windparks mit einigen Dutzend Turbinen sind dort sehr umstritten. Jacobsen und seine Kollegen sprechen jedoch davon, entweder vor die ganze Golf- und Atlantikküste Hunderttausende Windräder zu stellen. Oder doch mindestens empfindliche Regionen wie New Orleans oder die Ostküste zwischen New York und Washington mit etlichen Zehntausend Anlagen zu schützen.

Gigantische Mengen Energie

Die Investitionskosten würden in die Billionen Dollar gehen, schon ein 32-Kilometer-Stück vor New York könnte 210 Milliarden kosten, schreibt das Team. Das wäre deutlich teurer als höhere Deiche, aber die Anlagen sollen sich mit der Zeit selbst bezahlt machen, so die Forscher. Der produzierte Strom und die im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken verhinderten Umweltfolgen machten die Elektrizität konkurrenzfähig. Dass die schwächeren Hurrikane auch weniger Schäden an Land anrichten, wäre ein Bonus. Und bei jedem der Wirbelstürme würde ja die Stromproduktion auch noch kräftig wachsen.

Allerdings stellen sich die Forscher die technische Umsetzung zu einfach vor. Sie werfen zum Beispiel nur ein paar Stichwörter zur Frage hin, wie sich die gewaltigen Mengen Energie vom Rand aus in das schwächliche Elektrizitätsnetz der USA einspeisen ließen - daran hat auch Deutschland im Rahmen seiner Energiewende zu knabbern. Vage von Wasserstoff und Elektroautos zu sprechen, reicht da nicht.

Außerdem haben die Forscher die Windgeschwindigkeit, bei der sich die Turbinen abschalten, gegenüber dem Stand der Technik ordentlich heraufgesetzt. Sie kalkulieren mit 50 Metern pro Sekunde (180 Kilometern pro Stunde), bei denen die Windräder noch laufen. Hier sei ein Fortschritt der Technik zu erwarten, denn die von ihnen als Beispiel genommene Enercon-Anlage mit 7,6 Megawatt Nennleistung regelt sich selbst bei 34 Metern pro Sekunde ab. Enercon ist zudem nicht im Offshore-Geschäft tätig, aber das nur am Rande.

© SZ vom 03.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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