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Studie:Wissenschaftler produzieren zu viele Studien

Von Jahr zu Jahr wächst der wissenschaftliche Output. Die finnische Aalto Universität hat nun untersucht, ob die Forscher selbst noch den Überblick behalten. Das Ergebnis ist besorgniserregend.

Mit wissenschaftlichen Studien verhält es sich wie mit Geld: Wenn es zu viel davon gibt, verliert es an Wert. Die Währung der Wissenschaft sind Studien. Das Problem ist nur: Davon gibt es inzwischen viel zu viele.

Sechs Wissenschaftler der finnischen Aalto University haben das ermittelt. In der Studie "Aufmerksamkeitsverfall der Wissenschaft" beschäftigen sie sich mit der Frage, ob Wissenschaftler all die neuen publizierten Erkenntnisse überhaupt noch verarbeiten können. Denn insgesamt veröffentlichen Forscher heute wesentlich mehr Studien als noch in den Siebzigerjahren. Alle neun Jahre verdoppelt sich der wissenschaftliche Output.

Der italienische Wissenschaftler Briotta Parolo und seine Kollegen haben untersucht, über welchen Zeitraum neue Publikationen in anderen Artikeln zitiert werden. Denn das Zitat einer wissenschaftlichen Aussage gilt als guter Indikator dafür, wie wichtig diese im jeweiligen Fachgebiet ist.

Die Aufmerksamkeitsspanne sinkt

Als Grundlage für die Untersuchung nutzten die Forscher etwa 23 Millionen Aufsätze aus vier verschiedenen Fachgebieten, darunter aus der Chemie, Physik, der Klinischen Medizin und der Molekularbiologie. Als Quelle zogen sie die Datenbank Reuters Web Science heran.

So umfangreich die Analyse war, so eindeutig ist ihr Ergebnis - und für die Wissenschaft mehr als besorgniserregend. Zwar steigt die Zitierquote kurz nach der Publikation von neuen Werken rapide an und erreicht dann schnell ihren Höhepunkt, so heißt es in der Studie, meist fällt diese Quote aber nach sehr kurzer Zeit stark wieder ab, oft schon nach dem ersten Jahr.

Neu veröffentlichte Artikel und Studien verschwinden demnach viel schneller aus dem wissenschaftlichen Diskurs als noch vor 40 Jahren. Besonders beunruhigend ist laut der Analyse, dass vor allem in den vergangenen Jahren die Kurve immer extremer abfällt. Fazit: Das Wissen wächst zwar immer schneller, aber es verschwindet auch immer schneller wieder. Und die Forscher sind kaum noch in der Lage, den Überblick zu behalten.

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