Streit um die Jagd:"Befriedigung der Mordlust"

"Es kann nicht sein, dass die 0,3 Prozent der Bevölkerung, die einen Jagdschein haben, für fast 80 Millionen Menschen bestimmen, wie unsere Wälder in Zukunft aussehen werden", sagt Rainer Wagelaar, Forstwissenschaftler an der Fachhochschule Rottenburg und Vorsitzender des Ökologischen Jagdverbandes (ÖJV).

Streit um die Jagd: Mästen die Jäger sich in den Wäldern gigantische Rot- und Rehwildbestände heran?

Mästen die Jäger sich in den Wäldern gigantische Rot- und Rehwildbestände heran?

(Foto: Foto: AP)

Viele Politiker sind passionierte Jäger

Doch die Lobby der Jäger in Deutschland ist mächtig - auch weil viele Politiker passionierte Jäger sind: Der Präsident des Landesjagdverbandes Bayern, Jürgen Vocke, saß zum Beispiel zehn Jahre lang für die CSU im Landtag.

Der frühere Bundesminister und heutige Bundestagsabgeordnete Jürgen Borchert ist Präsident des Deutschen Jagdschutzverbandes und des Landesjagdverbandes Nordrhein-Westfalen. Sein Vorgänger war Constantin Freiherr von Heereman, sieben Jahre Bundestagsabgeordneter der CDU und Bauernpräsident.

Der Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen ist der CDU-Landtagsabgeordnete Helmut Dammann-Tamke. In etlichen Kreistagen und Stadtparlamenten sitzen viele, die sich von gemeinsamen Jagden gut kennen. Dasselbe gilt für einflussreiche Stellen in der Wirtschaft.

Der Mensch müsse heute das bestandsregulierende Raubtier ersetzen, da die natürlichen Feinde des Wildes ausgerottet wurden, rechtfertigt sich die Jäger-Lobby. "Wir leben in einer reinen Kulturlandschaft, die vom Menschen geprägt ist. Die wenigen großen Raubtiere wie Wolf oder Luchs, die es erfreulicherweise noch oder wieder gibt, können den Jäger gar nicht ersetzen", sagt etwa DJV-Sprecher Stephan Bröhl.

Die nachhaltige Nutzung der Wildtierbestände sei deswegen notwendig. "Die Idealvorstellung, dass sich Räuber und Beute selbst regulieren, mag in einem Nationalpark funktionieren, aber nicht in der normalen Landschaft."

Dem widerspricht das Ergebnis einer Studie des Münchner Zoologen Josef Reichholf. Der Wissenschaftler untersuchte die Bestandsentwicklung der Bisamratte am Inn - einmal auf deutscher Seite, wo diese Tiere gejagt werden, und einmal im österreichischen Flussabschnitt, wo sie von der Jagd verschont bleiben. Die Untersuchung zeigte, dass es im Jagdgebiet deutlich mehr Bisamratten gibt. Die kritischste Zeit für die Bisamratte ist der Winter.

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