Streit um den WWF:Grünwäscher oder Planetenretter?

Der Grimme-Preisträger Wilfried Huismann stellt den Umweltverband WWF als industrienah an den Pranger. Die Organisation zieht vor Gericht. Der WWF ist angeschlagen. Er braucht dringend einen Ethikrat.

Manfred Kriener

Kein anderes Buch hat dieses Jahr mehr Wirbel verursacht. Der Umweltthriller von Wilfried Huismann, mit dem er die Umweltorganisation WWF frontal attackiert, wurde mit Gegendarstellungen bombardiert, von Medienanwälten verfolgt und zeitweise aus dem Handel genommen. Er hat Gerichte beschäftigt, Journalistenverbände alarmiert und Tausende brave Geldspender irritiert, die Monat für Monat der Umwelt und Natur mit einer Überweisung an den Panda Gutes tun wollen.

Streit um den WWF: Aktivisten des WWF demonstrieren während des Umweltgipfels in Rio. Viele Ziele der Organisation sind ehrenwert. Aber Kritiker werfen ihr eine zu große Nähe zur Industrie vor.

Aktivisten des WWF demonstrieren während des Umweltgipfels in Rio. Viele Ziele der Organisation sind ehrenwert. Aber Kritiker werfen ihr eine zu große Nähe zur Industrie vor.

(Foto: AFP)

Autor Huismann und der WWF sind tief im Schützengraben in Stellung gegangen. Und die Medien haben, wie die Schiedsrichter beim Tennis, mit schnellen Kopfbewegungen verfolgt, wie ihnen die Statements um die Ohren flogen. Auch der Zwischenentscheid des Landgerichts Köln, der beide Seiten auffordert, sich gütlich zu einigen, half nicht weiter.

Noch immer steht Aussage gegen Aussage. Hier der Grimme-Preisträger, der harte Rechercheur, der um die ganze Welt reist, dessen Buch "unterdrückt" wird. Dort der größte aller Umweltverbände, der mit einer beispiellos großen Armada von Helfern und einem dicken Etat Tiger, Eisbären und Planeten retten will - und der jetzt "von einem schlampig recherchierten Buch", so der WWF, an den Pranger gestellt wird. Wem soll man glauben?

Wer das Buch liest, wird sich zunächst auf die Seite Huismanns schlagen. So detail- und faktenreich und so umfassend, wie er das Sündenregister des WWF beschreibt, das macht Eindruck. Es entsteht das Bild einer industrienahen Umweltorganisation, die sich mit den Mächtigen und Reichen, den Öl-Konzernen und Gentech-Mafiosi einlässt und dabei ihre Ziele, ja ihre Identität verliert.

Die Kumpanei zwischen Leser und Autor wird allerdings immer wieder gestört. Denn angesichts der Ungeheuerlichkeit der Vorwürfe fragt man sich, ob das alles so stimmen kann. Wer kann beurteilen, was in indischen Tigerreservaten los ist? Hat man dort tatsächlich Menschen vertrieben, um den Tiger zu retten? Haben auch WWF-Leute die Peitsche mitgeschwungen? Und was geschieht in den Urwäldern Sumatras? Macht der WWF wirklich die Augen zu, wenn sich Palmölplantagen immer tiefer in den Regenwald fressen? Wenn man dann noch WWF-Aktivisten persönlich kennt, etwa die hochkompetenten Leute in Hamburg, die sich um Ozeane und Fischerei kümmern, dann gerät man ins Grübeln. Das sind doch die Guten. Eigentlich.

Eines der stärksten Kapitel des Buchs beschreibt die Zustände in der Aquakultur bei der Zucht und Mästung von Lachsen in Norwegen und Chile. Das Kapitel ist auch deshalb so spannend, weil die Problematik unseren eigenen Speiseplan berührt: Die Weltmeere sind weitgehend leergefischt - sollte man da nicht auf Aquakulturen setzen? Aber an die Käfigfische werden große Mengen Wildfisch verfüttert, was ein Frevel ist, weil es die Bestände der Ozeane weiter dezimiert. Wenn es aber nun gelänge, Käfigfische eher vegetarisch zu ernähren, was teilweise schon gemacht wird, dann könnte sich die Ökobilanz verbessern.

Nun ist die Aquakultur der am stärksten wachsende Zweig der Nahrungsmittelindustrie; sie scheint ohnehin nicht aufzuhalten zu sein. Müssen sich da die Umweltverbände nicht einmischen, um diese Industrie in verträgliche Bahnen zu lenken? Ist es nicht geradezu zwingend, mit den Lachsfarmen zu verhandeln und grüne Management-Pläne aufzustellen, Antibiotika-Orgien zu stoppen, den Meeresgrund von Exkrementen-Bergen zu befreien?

Die Umweltaktivisten könnten womöglich das Schlimmste verhindern. Sie könnten aber auch einfach nur grünwaschen. So feine Abwägungsprozesse sind allerdings Huismanns Sache nicht. Er ist eher für die Attacke zuständig.

Es geht um eine ganz grundsätzliche Frage

In seinem Buch geht es, unausgesprochen, immer wieder um die eine, ganz grundsätzliche Frage: Sollen die Umweltaktivisten auf Distanz bleiben und durch radikale Zwischenrufe und meist wirkungslosen Protest agieren? Oder lassen sie sich mit den großen Playern ein und riskieren dabei, korrumpiert zu werden? Wenn sie sich einlassen, wo sind dann die Grenzen?

Carlos

Umweltschutz sieht anders aus: Spaniens König Juan Carlos, Ehrenpräsident des WWF, auf Safari.

(Foto: screenshoot Rann Safari)

Über diese Grenzziehung wird innerhalb des WWF durchaus kontrovers diskutiert. Deshalb ist es jammerschade, dass offenbar kurz vor Drucklegung des Buchs zwei Interviews mit WWF-Akteuren gestrichen werden mussten, weil diese, laut Huismann, ihre Einwilligung zum Abdruck zurückgezogen haben. So fehlt dem Buch ein wenig die Binnensicht, der Einblick in interne Debatten um den Kurs des WWF und um die Grenzen für Industriekooperationen.

Im Fall des Lachskönigs John Fredriksen und dessen Aquakultur-Konzerns Marine Harvest sind die Grenzen klar verletzt worden: In Norwegen gibt sich das Unternehmen umweltbewusst, es kooperiert und verhandelt mit dem WWF über nachhaltige Standards für Aquakulturen. Gleichzeitig herrschen in den chilenischen Lachsfarmen desselben Unternehmens unglaubliche Zustände. Nicht nur Millionen kranke Lachse sind hier krepiert, es sind auch viele Taucher gestorben. Sie werden auf Seelöwen angesetzt, die in die Lachskäfige eindringen.

Einerlei wie am 20. Juli das vorerst endgültige Gerichtsurteil zum Streit um das Buch ausfallen wird, der WWF ist angeschlagen. Er braucht dringend einen Ethikrat. Jedenfalls muss er in Zukunft sehr viel deutlicher machen, wo die Rote Linie verläuft. Diese Linie hat auch König Juan Carlos, der spanische WWF-Ehrenpräsident, überschritten, als er auf Elefantenjagd ging. Der erlauchte Herr sollte schleunigst vor die Tür gesetzt werden. Der WWF hat ihm den Rücktritt nahegelegt. Das immerhin ist ein gutes Zeichen.

WILFRIED HUISMANN: Schwarzbuch WWF. Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh. 255 Seiten, 19,99 Euro.

Manfred Kriener ist Chefredakteur des Umweltmagazins zeo2. Auch zeo2 hat sich vergeblich um ein Gespräch mit Vertretern des WWF bemüht.

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WWF und "Schwarzbuch"-Autor wollen außergerichtliche Einigung

Im Rechtsstreit zwischen dem WWF und Wilfried Huismann bahnt sich inzwischen eine außergerichtliche Lösung an. Die Naturschützer wollten die Verbreitung des Buches juristisch verhindern, das Landgericht Köln hatte den Parteien Mitte Juni zur Einigung geraten, und die Umformulierung einiger Passagen angeregt. Der Hauptvorwurf, die Umweltstiftung sei zu industrienah, soll aber bestehen bleiben. Grossisten wie Amazon und Thalia haben das Buch inzwischen wieder in den Vertrieb aufgenommen. (lala)

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