Archäologie:War Stonehenge ein Kalender?

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Stonehenge bei Sonnenuntergang. (Foto: via www.imago-images.de/imago images/Imaginechina-Tuchon)

Ein britischer Archäologe hatte die These aufgestellt, dass der Steinkreis einst zur zeitlichen Orientierung diente. Einwände von Kollegen lassen nun jedoch vermuten: Das Monument bleibt weiter rätselhaft.

Von Jakob Wetzel

Was sollte das nur alles? Vor mehr als 4000 Jahren stellten die Menschen im Süden des heutigen England auf mutmaßlich sehr kräftezehrende Weise Dutzende Steinblöcke auf. Sie errichteten fünf Torbauten, angeordnet in Form eines Hufeisens. Außenherum legten sie einen Kreis aus 30 riesigen Sandsteinen, und auf jeweils zwei dieser Blöcke legten sie einen tonnenschweren Querstein.

Stonehenge unweit des heutigen Salisbury ist das berühmteste jungsteinzeitliche Megalith-Monument Europas. Doch wozu all der Aufwand? Generationen von Besuchern und von Wissenschaftlern haben das Bauwerk analysiert und Vermutungen über seinen Zweck angestellt. Einigkeit aber herrscht noch lange nicht.

Der jüngste Vorschlag stammt von dem britischen Archäologen Timothy Darvill. Er lautet: Die Steinzeitmenschen errichteten mit dem Steinkreis einen erstaunlich exakten Sonnenkalender. Wie Darvill im vergangenen Jahr im renommierten Fachblatt Antiquity erläuterte, könnten die 30 Steine im äußeren Ring jeweils für einen Tag eines Sonnenmonats stehen. Ganz Stonehenge ist auf den Sonnenstand zur Sommer- und Wintersonnenwende ausgerichtet; das Jahr hätte demnach wohl mit der Wintersonnenwende begonnen. Zwölf Durchläufe des äußeren Rings ergäben 360 Tage, dazu kommen die fünf Tore in der Mitte, macht 365.

Am Rande der Anlage finden sich zudem vier Ecksteine, hier verberge sich ein Hinweis auf einen Schalttag alle vier Jahre. Ein Steinzeit-Jahr hätte demnach bereits 365,25 Tage gehabt - was verblüffend genau der Zeitrechnung nach dem julianischen und dem heute noch gebräuchlichen gregorianischen Kalender entspricht. Die Inspiration für diese Kalender hätten die Erbauer aus Ägypten erhalten, man dürfe die Informationsnetzwerke der Vorzeit nicht unterschätzen, schrieb der Archäologe. Doch kann das alles wirklich sein?

Als Kalender wäre Stonehenge zu ungenau

Eher nicht, meinen die beiden Archäoastronomen Giulio Magli von der Universität Politecnico di Milano und Juan Antonio Belmonte von der Universidad de La Laguna auf Teneriffa nun. Warum, erklären sie wiederum im Journal Antiquity. Sie üben gleich dreifach Kritik. Zum einen seien willkürlich bestimmte Zahlen herausgegriffen worden, um die Kalender-These zu stützen. Was nicht zu Darvills Idee passe, habe er nicht berücksichtigt. Und die für den mutmaßlichen Kalender doch maßgebliche Zahl Zwölf finde sich nirgends; woran hätten die Menschen also die Zahl der Monate abzählen sollen?

Hinzu kommt: Der angesprochene ägyptische Verwaltungskalender - dessen Datierung umstritten ist - hatte zwar 365 Tage, kannte aber keine Schalttage, die gibt es erst seit der julianischen Kalenderreform im ersten Jahrhundert vor Christus. Und vor allem hätte einen solchen Kalender niemand sinnvoll benutzen können, argumentieren Magli und Belmonte. Um die genauen Tage der Sonnen- und der Wintersonnenwende bestimmen zu können, hätten die Menschen die Position der Sonne mit Hilfe der Steine auf ein Zehntel Grad genau bestimmen können müssen - konnten sie aber nicht.

Doch wozu diente Stonehenge sonst? Die Anlage sei zunächst ein stilles Zeugnis der jungsteinzeitlichen Kultlandschaft, meinen die zwei Forscher, denn in der neolithischen Gesellschaft ließen sich immer wieder Verbindungen zwischen der Wintersonnenwende und dem Jenseits nachvollziehen. Ansonsten warnen sie vor steilen Thesen und mahnen zur Zurückhaltung. Stonehenge wird also weiter ein Rätsel bleiben.

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