Stiftung  der Lindauer Tagung:Globale Ziele

Jürgen Kluge, einst Deutschland-Chef von McKinsey, leitet seit Januar den Stiftungsvorstand.

Von Johanna Pfund

Ist die Quantentechnologie die Zukunft? Wenn ein Physiknobelpreisträger darüber mit aufstrebenden Wissenschaftlern diskutiert, kann man davon ausgehen, dass es spannend wird und es nicht nur die Wissenschaft, sondern auch die Industrie interessiert. "Wir haben ein gutes Programm", sagt Jürgen Kluge, der seit Januar ehrenamtlich den Stiftungsvorstand Lindauer Nobelpreisträgertagungen leitet. Ein gutes Programm, das seinerseits durchaus der Unterstützung durch die Industrie würdig ist, wie er findet. "Wissenschaft ist ein entscheidender Schlüssel für Wohlstand und Wirtschaft eines Landes."

Die Erkenntnis ist nicht neu, doch es war nicht immer einfach, die heute weltweit anerkannte Tagung mit Nobelpreisträgern und jungen Nachwuchswissenschaftlern zu finanzieren. Um die Finanzierung auf eine sichere Basis zu stellen, wurde 2000 unter Federführung des St. Galler Ökonomen Wolfgang Schürer die Stiftung Lindauer Nobelpreisträgertagungen gegründet.

Während sich das 1954 geschaffene Kuratorium mit Präsidentin Bettina Gräfin Bernadotte weiterhin um die wissenschaftliche Seite kümmert, ist der wirtschaftliche Aspekt Aufgabe der Stiftung. Schon zur Gründung konnten 50 Nobelpreisträger als Unterstützer gewonnen werden, mittlerweile sind es um die 300. Dazu kommen Förderer - wie die Unternehmensberatung McKinsey, als deren damaliger Deutschland-Chef Kluge schon vor Jahren mit Lindau in Kontakt trat. Eigentlich, als es darum ging, ob die Tagung nicht doch besser nach Boston verlegt werde solle. Das wäre ein herber Verlust für Deutschland gewesen, sagt Kluge heute. "Ich wurde gefragt, ob ich helfen könne und das habe ich gemacht. "

Helfen will er nun als Stiftungschef. Denn angesichts niedrigster Zinsen wird es knapp, mit dem Stiftungsvermögen von etwa 50 Millionen Euro die 3,5 Millionen Euro jährlichen Kosten für die Tagung zu decken. "Wir brauchen Zustiftungen, und alleine die öffentliche Hand, so engagiert sie uns auch unterstützt, reicht nicht aus."

Ideen, um weitere Zustifter oder projektbezogene Sponsoren zu finden, hat er einige. Zum Beispiel ein von amerikanischen Gepflogenheiten inspiriertes Modell. Ein Abendessen in kleinerem Kreis, an dem Laureaten, junge Wissenschaftler und Gäste teilnehmen, die in diesem Rahmen lebendige Diskussionen führen können. Kürzlich beispielsweise hatte er die Schweizer Physikstudentin Dominique Gisin zu Gast. Auch bekannt als Goldmedaillengewinnerin der Abfahrt in Sotschi 2014. Eine inspirierende Geschichte. "Wenn mögliche Sponsoren wissen, welche junge Leute sie fördern können, ist das positiv", sagt Kluge. "Die Unternehmen müssen Vertrauen aufbauen." Sodass sie letztendlich Unterstützung leisten können. "Die Idee kommt aus den USA, aber vom Stil her sind wir europäisch", sagt Kluge.

Die Stiftung hofft auf Sponsoren und Unterstützung durch Alumni

Auch geschicktes Haushalten ist in Zeiten niedrigster Zinsen gefragt. Dazu zählt ein stabiles Anlagemodell, das ein Ausschuss für die Stiftung entwickelt hat. Gefunden hat man auch eine Möglichkeit, die Zustiftungen aus dem Ausland problemlos ermöglicht. Ein Modell, das die Salzburger Festspiele seit Längerem in die Tat umgesetzt haben. Auf jeden Fall ist es jetzt US-Amerikanern möglich, die Tagung in Lindau zu unterstützen und dafür auch eine amerikanische Spendenquittung zu erhalten. "Wir müssen es den Unterstützern so einfach wie möglich machen."

Ein weiteres Vorhaben ist, den Kreis der Unterstützer zu erweitern und in den Reihen der Wissenschaft zu suchen. Wieder hat Kluge eine Anleihe in den USA genommen: das Alumni-System. Dort ist es üblich, dass einstige Studenten später die Einrichtung unterstützen, an der sie ausgebildet wurden. Warum also nicht all die Alumni sammeln, die 30 000 bis 35 000, die schon in Lindau waren und die heute alle erdenklichen hohen Posten innehaben. "Ich kann mir gut vorstellen, dass wir dadurch Botschafter für Lindau gewinnen."

Globale Botschafter. Denn würde man den Blickwinkel nur auf die absolute Spitzenwissenschaft richten, bliebe man an wenigen Ländern der Erde hängen. Afrika etwa wäre nicht stark vertreten. Doch jede Region dieser Welt sollte sich wiederfinden in Lindau, so Kluge. Ein Vorhaben, an dem auch schon sein Amtsvorgänger Schürer arbeitete, der für seine Arbeit bei der Eröffnung am Sonntag mit der bislang einzigen Lennart-Bernadotte-Medaille in Gold ausgezeichnet wurde. "Wir müssen eine Balance finden zwischen den absolut Besten und den Besten aus kommenden Nationen." Und darüber reden. Einmal, so erzählt Kluge, hörte er in Singapur, dass Lindau ein "stealth meeting" sei, eine Art Geheimtreffen. So soll es nicht sein, und so ist er nun weltweit als Botschafter unterwegs, während Nikolaus Turner als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Stiftung die Fäden in Lindau in der Hand hält, der einzige, der angestellt ist. Wenn es nach Kluge geht, wird Turner viel zu tun haben: In zehn Jahren will Kluge das Stiftungsvermögen verdoppelt haben.

Der Einstieg diese Woche ist perfekt für den neuen Stiftungschef: Physik steht ja im Mittelpunkt, und Kluge ist selbst promovierter Physiker. Fast wäre er auch Assistent eines Nobelpreisträgers geworden: Theodor Hänsch, auch in Lindau zu Gast, hatte ihm einst eine Stelle als Postdoc angeboten. Daraus wurde nichts. Stattdessen ist Kluge jetzt ein Hybrid, wie er selbst sagt, zwischen Wissenschaftler und Manager. Eine gute Basis für einen Lindauer Stiftungsvorsitzenden.

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