Sterbende Delfine und Pelikane:Perus tödliches Geheimnis

Mehr als 90 Delfine und 5000 Pelikane sind an der Küste Perus bereits verendet. Wissenschaftler stehen vor einem Rätsel: Ist Gift, Lärm oder der Klimawandel die Ursache?

Peter Burghart

Auf einmal liegen sie da, einer neben dem anderen. Aufgerissene Schnäbel, leere Augen. Es begann im vergangenen Jahr, inzwischen wurden mindestens 900 tote Delfine im trockenen Norden Perus an Land gespült, nach anderen Rechnungen sogar Tausende. Zusätzlich verendeten mehr als 5000 Pelikane an den Stränden der Regionen Tumbes, Piura und Lambayeque, und das Massensterben geht weiter.

An den Stränden im Norden Perus liegen tote Tiere, darunter mindestens 5000 Pelikane.

An den Stränden im Norden Perus liegen tote Tiere, darunter mindestens 5000 Pelikane.

(Foto: AFP)

Die Küstenwache fährt mit Geländewagen vor und räumt unter der hartnäckigen Sonne der Wüste einige Kadaver beiseite. Anblick und Geruch sind verstörend für Bewohner und Touristen im südamerikanischen Herbst. Erfahrene Fischer berichten, sie hätten so etwas noch nie gesehen. Ein gestrandeter Delfin hier, ein eingegangener Pelikan dort - "aber was jetzt passiert", sagt einer, "das ist wirklich alarmierend".

Gewöhnlich sind die peruanischen Küsten ein Paradies für maritimes Leben. Der kalte Humboldt-Strom fließt aus der Antarktis hinauf, nährstoffreiches Plankton wird aus der Tiefe des Pazifiks nach oben gespült. Deshalb gehört diese ansonsten karge Gegend zu den besten Fischereizonen der Erde, und Peru hat sich mit sehr unterschiedlichen Formen der Nutzung einen Namen gemacht: Besonders die Gerichte aus rohem, marinierten Fisch, die sogenannten Ceviches und Tiraditos, genießen inzwischen Weltruf - und die weniger appetitlichen Fischmehlfabriken gehören zu den Schwergewichten der Branche. Schwärme von Sardellen sind außerdem bevorzugte Nahrung der Delfine und Pelikane, die sich in und über diesen Gewässern tummeln. Doch nun wird an den sandigen Ufern vornehmlich vom Tod gesprochen - was ist passiert?

Wissenschaftler stehen vor einem inzwischen auch international beachteten Rätsel. Die Theorien bei der Suche nach der Ursache der mysteriösen Epidemie reichen vom Klimawandel über Verschmutzung bis zur Suche nach Öl. Es gebe keine Hinweise auf Viren, Bakterien, Pestizide, Schwermetalle oder sonstige toxische Abfälle, versichert das Umweltministerium in Lima und versucht zu beruhigen. Es geht ja um einen der wichtigsten Wirtschaftsräume der Nation, das Meer. Wobei die Behörde auch die Sardellen zu den Verdächtigen zählt. Dieses Leibgericht scheint vor allem den Pelikanen abhandengekommen zu sein, viele von ihnen seien verhungert. Möglicherweise nähert sich wieder das Wetterphänomen El Niño und erwärmt den Ozean.

Die gestiegene Meerestemperatur durch Kelvinwellen aus Australien könnte demnach bereits dafür gesorgt haben, dass diese Lieblingsfische der Pelikane und teilweise auch der Delfine in kältere Gewässer abgezogen sind. El Niño und sein Widerpart La Niña gelten ja als Erklärung für Kapriolen aller Art. In diesen Monaten leiden einige Zonen des Subkontinents unter extremer Dürre (zum Beispiel Brasiliens Nordosten) oder exzessiven Regengüssen (Teile der Anden und Amazonien).

Parasiten im Magen der Pelikane

Der Meeresbiologe Carlos Bocanegra von der Universität Trujillo entdeckte im Verdauungsapparat von Pelikanen keine Reste von Sardellen, aber beunruhigend viele Parasiten. Politiker kamen bei der Suche nach einer Antwort immerhin auf die gute Idee, dass man die Fangquote für die umkämpfte Ressource Sardellen besser regeln müsse. Kritiker allerdings überzeugt das kaum. Schon gar nicht, was die Delfine betrifft.

Manche Ökologen vermuten eher hausgemachte Ursachen als Launen der Natur. Carlos Yaipén von der Organisation ORCA äußerte im peruanischen Parlament seinen Verdacht, dass die Delfine akustischen Attacken zum Opfer fielen. Druck und spitze Töne hätten innere Organe zerstört, Yaipén sprach von gesplitterten Knochen des Gehörs und durchlöcherten Lungen.

Dahinter stecken könnte die unterirdische Fahndung nach Öl, Peru will wie viele andere Staaten seine Offshore-Bohrungen vorantreiben. Die seismische Suche nach dem schmierigen Bodenschatz mit explosionsartigen Schallwellen am Meeresgrund gilt als gefährlich. Das rohstoffreiche Peru steht seit langem im Ruf, die Natur im Zweifel dem Geschäft unterzuordnen, deswegen landet auch jede Menge Müll im Meer.

Der stellvertretende Umweltminister Gabriel Quijandria indes warnt vor Panik, man müsse auf die Ergebnisse der Studien warten. Für die Schuld von Ölgesellschaften oder sonstige Verschmutzung gebe es keine Beweise. Auch von einem tödlichen Virus, das Biologen ebenfalls in Betracht ziehen, will die Regierung nichts wissen. Fisch und Meeresfrüchte seien sicher, heißt es, doch der Verkauf geht angesichts der Nachrichten von verwesenden Delfinen und Pelikanen trotzdem zurück. Und das Gesundheitsministerium rät in Lima sogar von einem Bad im Pazifik vorläufig ab.

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