In der Kernfusionsforschungsanlage "Wendelstein 7-X" in Greifswald ist am Donnerstag das erste Plasma erzeugt worden. Gesteuert von einem Kontrollzentrum aus wurden rund 10 Milligramm Helium in ein Magnetfeld einer Vakuumkammer der 725 Tonnen schweren Anlage eingeleitet und auf eine Million Grad erhitzt.
"Das ist ein toller Tag", sagte die Wissenschaftliche Direktorin Sibylle Günter nach dem ersten Experiment. In der eine Milliarde Euro teuren Anlage des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Mecklenburg-Vorpommern soll die Verschmelzung von Atomkernen zum Zweck einer weitgehend sauberen Energieerzeugung erforscht werden.
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Kernfusions-Forscher wollen langfristig die gleichen Prozesse nutzbar machen, die in der Sonne ablaufen. Dort verschmelzen Wasserstoffatome zu schwereren Heliumatomen. Bei dem Prozess wird eine winzig kleine Masse frei, die gemäß der Formel E=mc² in Energie umgewandelt wird. Um diese Reaktion für die Stromversorgung auf der Erde einzuspannen, ist die Erzeugung eines Plasmas erforderlich, eines sehr heißen Gases.
So läuft das Fusionsexperiment vom Typ "Stellarator"
Mit Wendelstein 7-X testen die Physiker, ob man so ein 100 Millionen Grad heißes Gas 30 Minuten lang einsperren kann. Dutzende supraleitende Spulen erzeugen einen Käfig aus Magnetfeldern, aus dem heiße Atomkerne und Elektronen kaum entkommen können. Eine Mikrowellenheizung erhitzt das stark verdünnte Helium auf Temperaturen von fünf bis zehn Millionen Grad, damit das Gas ionisiert und in den Plasmazustand übergeht. Jedoch soll der Versuchsreaktor noch keine Atomkerne fusionieren, um Strom zu erzeugen. Dazu müsste die Maschine deutlich größer sein.
Den Greifswalder Physikern geht es stattdessen um die Frage, ob sich Fusionsreaktoren auch nach einem anderen Prinzip bauen lassen als jenes, das beim Internationalen Fusionsreaktor Iter im Süden Frankreichs zum Einsatz kommt. Wendelstein 7-X ist neben einer Anlage in Japan das weltweit größte Fusionsexperiment vom Typ "Stellarator". Dieses Modell erprobten Wissenschaftler bereits in den 1950er Jahren, ließen es zugunsten einer anderen Bauweise aber links liegen. Die Greifswalder Maschine wurde nun mit Hilfe von Supercomputern entworfen und soll beweisen, dass der Stellarator-Ansatz ein heißes Gas mindestens so gut bändigen kann wie die Iter-Bauweise.
"Die Erzeugung des Helium-Plasmas ist unsere Generalprobe", sagte der Direktor des Greifswalder Instituts, Thomas Klinger. Mit Deuterium, einer schweren Variante des Wasserstoffs, will das Institut frühestens ab 2017 arbeiten. Bei der Verwendung dieses Isotops entstehen geringe Mengen Radioaktivität. Dazu sind noch weitere technische Voraussetzungen zu erfüllen. Das Institut beschäftigt rund 500 Mitarbeiter, die Kosten des Projekts teilen sich die EU, der Bund und das Land Mecklenburg-Vorpommern.