Steigende Temperaturen:Berlin, 41 Grad

Die Rekordhitze unserer Jahrhundertsommer werden die Menschen in einigen Jahrzehnten als kühl bezeichnen, warnt ein niederländischer Meteorologe. Seine Computermodelle sagen weltweit Hitze-Extreme voraus.

Christopher Schrader

Was als Jahrhundertsommer gilt, wird sich in diesem Jahrhundert noch gewaltig ändern. "In einigen Jahrzehnten werden die Menschen etwa auf die Rekordhitze im Jahr 2003 zurückblicken und lachen", sagt Andreas Sterl vom Königlich-Niederländischen Institut für Meteorologie. "Sie werden die Werte im Nachhinein als kühl empfinden."

Steigende Temperaturen: Rekordtemperaturen: Maximalwerte, die 2100 bei Hitzewellen in "Jahrhundertsommern" möglich werden.

Rekordtemperaturen: Maximalwerte, die 2100 bei Hitzewellen in "Jahrhundertsommern" möglich werden.

(Foto: Karte: Sterl/Geophysical Research Letters, Bearbeitung: SZ)

Der Klimawandel, hat Sterl berechnet, macht gegen Ende des 21. Jahrhunderts weit höhere Rekordtemperaturen als heute möglich: 45 Grad Celsius in Lyon, 47 Grad in Los Angeles, 49 Grad in Delhi und 50 Grad in Bagdad.

In Berlin und München könnte das Thermometer jeweils gut 41 Grad erreichen. Ähnliche Werte wurden in Deutschland bislang allenfalls im Südwesten registriert, wo 2003 knapp über 40 Grad herrschten. Städte, die in Kesseln liegen wie Stuttgart oder Los Angeles, werden auch in Zukunft unter besonderer Hitze leiden, sagt Sterl.

Den globalen Rekord dürfte dann aber die Grenzregion zwischen Kolumbien und Bolivien erreichen. Dort klettert das Thermometer auf 53 Grad.

Sperl hat das Klima des kommenden Jahrhunderts im Computer simuliert. Weil dabei Zufälle eine große Rolle spielen, verwenden Meteorologen sogenannte Ensemble-Vorhersagen: Sie starten die gleiche Rechnung mehrmals mit leicht veränderten Anfangsbedingungen.

In Sterls Fall waren es 17 verschiedene Berechnungen, aus denen er die Temperaturen destilliert hat, die bei Hitzewellen nur einmal in 100 Jahren vorkommen - womöglich einen Nachmittag lang, womöglich aber auch mehrere Tage am Stück.

Weil der Forscher vorher auch die Gegenwart simuliert hatte, konnte er durch einen Vergleich mit realen Werten übertriebene Vorhersagen der Modelle korrigieren. "Methodisch ist das alles sehr plausibel", sagt Erich Roeckner vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg.

Im Mittel erwärmt sich die Welt nach Sterls Rechnung durch den Ausstoß von Treibhausgasen um 3,5 Grad Celsius, was gut zu den Aussagen des Weltklimarats IPCC passt.

Die Extremwerte steigen aber fast überall auf der Welt stärker an als die mittleren. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt in Frankreich, Deutschland und Osteuropa.

Auch Australien dürfte von der Hitze stark betroffen sein. Dort könnte es von 2030 an jedes oder jedes zweite Jahr so heiß werden, dass die Landwirtschaft unter Trockenheit leidet, besagt ein Bericht, den die Regierung bei Forschern bestellt hatte. Früher gab es solche Krisenzeiten nur alle 25 Jahre.

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