Venedig sinkt weiterhin ins Meer. Hoffnungen, wonach der Trend beendet sei, haben sich nicht erfüllt. Zudem rutscht die Lagunenstadt pro Jahr 17 Millimeter nach Norden und 20 Millimeter nach Osten. Die Sinkgeschwindigkeit beträgt ein bis zwei Millimeter pro Jahr, schließen Geophysiker aus Satellitendaten der Jahre 2001 bis 2011. Besonders das weitere Absacken dürfte die Venezianer erschrecken, hatten doch etliche Studien der vergangenen Jahre ergeben, das Sinken sei praktisch gestoppt.
Um 25 Zentimeter war der Wasserstand in Venedig im 20. Jahrhundert gestiegen, zur Hälfte ausgelöst durch den steigenden Meeresspiegel im Rahmen des Klimawandels. Für die andere Hälfte wurde vor allem der sorglose Umgang mit Grundwasser bis in die 1960er-Jahre verantwortlich gemacht, der den Untergrund mürbe machte. Seitdem sich die Stadt um solche Probleme kümmert und gewaltige Fluttore zwischen Lagune und Adria baut, schien die Zukunft sicherer.
Die Forscher um Yehuda Bock von der Scripps Institution in San Diego wecken nun neue Ängste. Sie haben Daten von Navigations- und Radarsatelliten kombiniert. Für die GPS-Messungen wurden fünf feste Punkte angepeilt, zwei auf dem Festland, zwei am Nord- und Südende des Landstreifens zwischen Lagune und Meer und einer im Stadtteil San Polo des historischen Venedig, nahe der Rialtobrücke.
Die Region kippt offenbar nach Osten ab
Die Radargeräte beobachteten mehr als 600.000 Punkte in der Region. Daraus erkannten die Forscher, dass die Altstadt und der Lido um ein bis zwei Millimeter pro Jahr absinken. Die Enden der Landzunge wiesen sogar Werte von vier bis fünf Millimetern auf. Nur die Insel Pellestrina, der südliche Teil der Nehrung vor der Lagune, konnten Schutzmaßnahmen offenbar stabilisieren.
Da die Messpunkte auf dem Festland nur wenig absanken, schließen Bock und sein Team, dass die ganze Region langsam nach Osten abkippt ( Geochemistry, Geophysics, Geosystems, im Druck). Diese Bewegung hätten die Autoren früherer Studien womöglich nicht berücksichtigt, als sie Venedigs für praktisch stabil erklärten. Dazu gehörte auch eine Venezianerin, Laura Carbognin vom Institut für Meereswissenschaften in der Stadt. Sie hatte sich 2009 gefragt, wie häufig die Stadt angesichts des Klimawandels in Zukunft Hochwasser, Acqua Alta, erleben würde. Ihre Antwort: bis zu 250-mal pro Jahr. Die Fluttore würden bis 2100 so eben ausreichen, um die Stadt zu schützen, schrieb sie damals. Mit Venedig sinkt nun aber auch diese Schlussfolgerung.