Stechmücken:Vielfalt mit Risiko

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Immer mehr tropische Mückenarten werden in Westeuropa heimisch - auch in Deutschland. Zugleich finden Forscher immer häufiger exotische Krankheitserreger wie das Sindbis-, das Batai- und das Usutu-Virus in einheimischen Mücken.

Robert Lücke

Es ist noch nicht allzu lange her, dass Mücken in Mitteleuropa zwar lästig, aber weitgehend ungefährlich waren. Das hat sich geändert, seit zum einen immer mehr tropische Arten in Westeuropa heimisch werden. Zum anderen erobern offenbar exotische Erreger wie das Sindbis-, das Batai- und das Usutu-Virus heimische Mückenarten als Wirtstiere.

Immer mehr tropische Mückenarten werden in Westeuropa heimisch. (Foto: dpa)

Im vergangenen Jahr entdeckten Forscher um Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Tropeninstitut in Hamburg erstmals das Usutu-Virus in Stechmücken in Deutschland. Ein Jahr zuvor hatten die Wissenschaftler Sindbis- und Batai-Viren nachgewiesen.

Derartige Entdeckungen dürften keine Zufallsfunde sein, sind sich Tropenmediziner, Parasitologen und Zoologen einig. Daher diskutieren Experten derzeit auf einer Tagung der Weltgesundheitsorganisation und der European Mosquito Control Association in Budapest, wie sie die Mückenbestände in Europa und die davon ausgehenden Gesundheitsrisiken besser erfassen können.

"Wir haben in diesem Jahr erstmals 48 Mückenarten in Deutschland nachgewiesen, so viele gab es noch nie zuvor", sagt der Organisator der Tagung, Norbert Becker.

Der Zoologe von der Universität Heidelberg ist auch wissenschaftlicher Direktor der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Stechmückenplage in Waldsee.

Neu in der heimischen Mückenschar ist zum Beispiel die Malariamücke Anopheles plumbeus, die sich in vielen ländlichen Gemeinden Süddeutschlands ausbreitet.

Oder der Japanische Buschmoskito: Häufig gelangt er als Ei oder Larve in Bambustöpfen nach Europa. Das Insekt kann das West-Nil-Virus übertragen, das Hirnhautentzündungen verursacht. Im vergangenen Jahr starben in Griechenland mindestens elf Menschen am West-Nil-Virus.

Um deutschlandweit einen Überblick zu bekommen, wo welche Mückenarten leben, haben Becker und seine Kollegen in den vergangenen Jahren mehr als eine halbe Million Stechmücken entlang von Elbe, Rhein, Donau, Isar, am Chiemsee und Bodensee gesammelt und bestimmt.

In Hochsicherheitslaboren untersuchen Virologen außerdem, welche Erreger die Insekten in sich tragen. Unklar ist in vielen Fällen auch noch, ob heimische Mückenarten exotische Viren aufnehmen und so ebenfalls zu einer möglichen Gefahr für Menschen werden können.

Im Fall der drei jüngst entdeckten Viren sind sich die Forscher inzwischen immerhin sicher: Diese Erreger haben nichts mit der Ausbreitung tropischer Mücken in gemäßigten Breiten zu tun, sagt Becker.

"Die Viren wurden in einheimischen Mücken festgestellt, und sie sind vermutlich schon seit Jahrtausenden in Westeuropa." Möglicherweise schleppten Zugvögel die Erreger aus dem tropischen Afrika ein. Normalerweise befallen die Sindbis-Viren nämlich Vögel.

Wie die Erreger den Sprung auf den Menschen geschafft haben, ist unklar. Die Viren, die in den 1950er-Jahren in Afrika entdeckt wurden und zunächst nach Nordeuropa gelangten, verursachen Fieber und Rheuma-ähnliche Gelenkentzündungen. 2009 entdeckten Ärzte bei einem Patienten Antikörper gegen den Erreger - der Mann muss von einer infizierten Mücke gestochen worden sein. Auch beim Usutu-Virus, das ebenfalls aus Afrika stammt, wissen die Forscher von einigen leichten Infektionen.

Das erstmals in Uganda entdeckte Batai- oder Bunya-Virus hingegen scheint deutlich gefährlicher zu sein. Infizierte leiden unter gefährlichem hämorrhagischen Fieber. "Der Erreger hat das Potential, sein Erbgut zu verändern oder ganz zu mutieren", sagt der Virologe Schmidt-Chanasit. "Das kennen wir zum Beispiel auch von Influenza-, Marburg- oder Ebola-Viren."

Möglicherweise seien schon seit langem Menschen an den drei Viren erkrankt. "Doch offenbar haben Ärzte in der Vergangenheit oft Fehldiagnosen wie Rheuma gestellt, obwohl in Wahrheit ein Mückenstich und eine Virusinfektion der Grund war", sagt Becker. Die Patienten seien jedoch nicht auf die exotischen Erreger hin untersucht worden, weil niemand wusste, dass sie in Deutschland vorkommen. Die neue Datenbank soll dabei helfen, Fehldiagnosen zu verhindern.

Sorgen bereitet den Experten auch eine mögliche Ausbreitung der Tigermücke. In 14 europäischen Ländern ist sie bereits aufgetreten. Die Insekten übertragen Dengue- und Gelbfieber. Im vergangenen Jahr meldeten Südfrankreich und Kroatien erste Fälle von Dengue-Fieber.

Becker zufolge ist es denkbar, dass das Dengue-Fieber auch in Deutschland auftreten könnte, zumal im Spätsommer 2007 erstmals Eier der Tigermücke in Südbaden entdeckt wurden. "Das Risiko, dass sich in Deutschland eine stabile Population entwickelt, ist bei uns allerdings geringer als im Mittelmeerraum", sagt der Forscher.

© SZ vom 31.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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