Raumfahrt:Neuer Versuch für die größte Rakete der Geschichte

Raumfahrt: Den Start des "Starships" in Texas wollten am Montag viele nicht verpassen. Aber dann kam doch etwas dazwischen.

Den Start des "Starships" in Texas wollten am Montag viele nicht verpassen. Aber dann kam doch etwas dazwischen.

(Foto: JOE SKIPPER/REUTERS)

Wenige Minuten vor dem geplanten Start mussten die Ingenieure am Montag den Testflug von Starship um die Erde absagen. An diesem Donnerstag will Elon Musk nun seine Superrakete ins All schießen.

Von Dieter Sürig

In der Raumfahrt gehören Verspätungen zum Geschäftsmodell. Lieber den Start einmal zu viel verschieben als die teure Rakete verlieren. "Failure is not an option" - Scheitern ist keine Alternative - ist ein geflügeltes Wort in der Branche. Deswegen werden Countdowns schon mal kurz vor dem Starttermin abgebrochen, was Ende August vergangenen Jahres wegen eines Treibstofflecks auch bei der neuen Nasa-Rakete SLS passiert ist. Am Montag war es beim Starship ein eingefrorenes Druckventil, wie Elon Musk auf Twitter notierte. Nun will seine Firma Space-X an diesem Donnerstag um 15.28 Uhr deutscher Zeit im texanischen Boca Chica einen neuen Anlauf nehmen.

Bei dem Testflug geht es vor allem darum, Daten zu sammeln. Anders als beim Erstflug der Schwerlastrakete Falcon Heavy vor gut fünf Jahren ist diesmal auch kein Tesla an Bord. Ein Livestream soll etwa 45 Minuten vor dem Start auf der Webseite des Unternehmens beginnen:

Musk ist ein gebranntes Kind, was Verzögerungen bei seinem Starship-Projekt angeht, denn eigentlich wollte er die leistungsfähigste Rakete der Welt ja schon vor einem Jahr starten. Ein Prototyp der oberen Stufe hatte bei einem erfolgreichen Test im Mai 2021 eine Höhe von zehn Kilometern erreicht. Die US-Luftfahrtbehörde FAA forderte jedoch umfangreiche Nachbesserungen auch am Startplatz namens Starbase, wo Space-X Umweltauflagen erfüllen musste.

Der Milliardär, der schon mal gerne zu überschwänglichen Übertreibungen neigt, hatte den Ball diesmal sowieso eher flach gehalten. Er wolle die "Erwartungen niedrig ansetzen", sagte er noch am Sonntagabend bei einer Twitter-"Spaces"-Veranstaltung zum geplanten Testflug seiner Superrakete. Geradezu minimalistisch muteten denn auch seine eigenen Erwartungen an: "Wenn wir weit genug von der Startrampe wegkommen, bevor etwas schief geht, dann würde ich das als Erfolg betrachten", sagte er dem US-Nachrichtensender CNN zufolge. Wichtig sei es, bloß nicht die Rampe in die Luft zu sprengen.

Der amerikanische Schriftsteller Norman Mailer schrieb von einem "Hexenkessel der Triebwerke", in denen die Feuersglut loderte, als er die Abreise der Mondexpedition Apollo 11 per Saturn-V-Rakete 1969 im Life-Magazin und später in seinem Buch "Of a Fire on the Moon" schilderte. Ein "apokalyptischer Wutausbruch der Töne" habe die Zuschauer am Startplatz in Florida erfasst, nachdem sich die Rakete langsam aus ihrer "feurigen Inkarnation" erhoben habe.

Der Testflug soll das Raumschiff erst einmal nur nach Hawaii bringen

Ähnlich könnten die Eindrücke beim Start des Starship werden, das größer und schwerer als die Saturn V ist und mehr als doppelt so viel Schub hat. Es besteht aus der 69 Meter langen unteren Stufe Super Heavy, angefeuert von 33 Triebwerken namens Raptor, und dem eigentlichen Starship, das 50 Meter misst, mit sechs weiteren Raptoren. Und das alles mit neun Metern Durchmesser. Auch das methanbetriebene Starship soll dereinst zum Mond, womöglich auch irgendwann zum Mars fliegen, doch der Testflug soll es erst einmal vom texanischen Boca Chica aus nach einer knappen Erdumkreisung nur bis zu den hawaiianischen Inseln führen, wo die Oberstufe nach 90 Minuten im Meer wassern soll. Die untere Stufe soll bereits wenige Minuten nach dem Start im Golf von Mexiko niedergehen.

Trotzdem ist der Enthusiasmus der Space-Fans gewaltig. Auch deswegen, weil hinter dem Vorhaben Elon Musks kalifornische Raumfahrtfirma steckt und nicht die US-Raumfahrtbehörde Nasa. Das Starship wäre mit 5000 Tonnen Startgewicht und 7590 Tonnen Schub die leistungsstärkste Rakete, die bislang den Weltraum erreicht hätte. Sie könnte mit zunächst 150 Tonnen Nutzlastkapazität über den Orbit hinaus die Transportkosten ins All signifikant senken. Weil sie wiederverwendbar sein und im All aufgetankt werden soll, könnte sie gar eine neue Ära in der Raumfahrt einleiten. Und sie ist zu einem großen Teil privat finanziert.

Nach diversen technischen Problemen hat die Rakete im Januar einen erfolgreichen Testlauf mit 4500 Tonnen Treibstoff absolviert. Bei einem Triebwerkstest im Februar fielen zwar zwei der 33 Raptoren-Antriebe aus. Es gebe "aber immer noch genug Triebwerke, um die Umlaufbahn zu erreichen!", twitterte Elon Musk daraufhin.

Elon Musk rechnet mit einer Erfolgschance von 50 Prozent

Seit Anfang April wabern die Spekulationen über einen baldigen Start des Super-Raumschiffs denn auch wieder durchs Internet, da die Rakete an der Rampe stand. Zuletzt fehlte noch die Genehmigung der Luftfahrtbehörde FAA, am Freitag voriger Woche kam sie dann: "Nach einem umfassenden Lizenzverfahren hat die FAA festgestellt, dass Space-X alle Anforderungen in Bezug auf Sicherheit, Umwelt, Politik, Nutzlast, Luftraumsicherheit und finanzielle Verantwortung erfüllt", teilte die FAA mit. Die Lizenz ist für fünf Jahre gültig.

Aber selbst, wenn der Start noch in dieser Woche gelingen sollte: Stefan Schlechtriem, Direktor des Instituts für Raumfahrtantriebe am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen, ist skeptisch, ob das Starship bereits in diesem Jahr den Orbit erreicht. Auch deswegen, weil es Raumschiffe mit Methanantrieb bislang nicht gegeben hat, die Falcon 9 fliegt zum Beispiel mit flüssigem Kohlenwasserstoff und flüssigem Sauerstoff. "Die Falcon 9 von Space-X ist auf bekannter Technologie aufgebaut, da ist das Starship eine ganz andere Nummer", sagt er.

"Wenn die Kiste abhebt, kommt es ziemlich dicht an den Orbit ran, das wird Elon Musk hinkriegen." Er habe allerdings seine Zweifel, "ob das Starship auch wieder heile zurückkommt", sagt Schlechtriem. Musk selbst hat schon öfter davor gewarnt, die Erwartungen zu hoch zu schrauben. Die Chancen, nicht in den Orbit zu kommen, lägen bei 50 Prozent, sagte er Anfang März bei einer Konferenz der Bank Morgan Stanley: "Ich garantiere, dass es aufregend sein wird. Auf jeden Fall wird es nicht langweilig sein."

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