Stammzellstudie soll zurückgezogen werden:Zweifel am Zellzaubertrank

Forschung zur Verjüngung von Zellen

Eine Technik zur Verjüngung von Zellen, vorgestellt im Magazin Nature, muss womöglich erneut auf den Prüfstand

(Foto: dpa)

Mit einer Wunderkur für Zellen sorgte eine junge japanische Biologin für Aufsehen. Ein simpler Kniff schien erwachsene Zellen in Stammzellen zu verwandeln. Doch ein Mitglied des Forscherteams selbst will die Studie nun zurückziehen - wegen "schwerer Mängel".

Von Katrin Blawat

Zwei im Januar veröffentlichte, aufsehenerregende Stammzellstudien sollten nach Meinung eines der Autoren zurückgezogen werden. Es seien mittlerweile zu viele Unklarheiten aufgetaucht und das Vertrauen in die Studien sei gesunken, sagte Teruhiko Wakayama von der Yamanashi-Universität im japanischen Kofu dem japanischen Rundfunk NHK. Wakayama habe zudem die Erstautorin der beiden Studien, Haruko Obokata, aufgefordert, die Fachartikel zurückzuziehen um die Fehler zu beheben, berichtet das Wall Street Journal.

Laut der Zeitung erwägt auch das Riken-Forschungszentrum für Entwicklungsbiologie im japanischen Kobe, an dem die Erstautorin arbeitet, die Studien zurückzuziehen. Wakayama arbeitete früher ebenfalls am Riken-Zentrum, verließ dieses jedoch während die nunmehr umstrittenen Manuskripte vorbereitet wurden. Die japanische Regierung forderte das Institut auf, dem Vorgang auf den Grund zu gehen und die Ergebnisse der Öffentlichkeit mitzuteilen. Die Fachzeitschrift Nature, die beide Fachartikel Ende Januar veröffentlicht hatte, prüft den Fall ebenfalls.

Zitronensäure als Wunderkur

Bereits bei ihrem Erscheinen sorgten die beiden Studien für Aufregung. Haruko Obokata und ihre Kollegen präsentierten darin eine vermeintlich überraschend einfache Methode, wie sich bereits ausdifferenzierte Körperzellen von Mäusen in Stammzellen verwandeln und damit sozusagen verjüngen lassen. Solche in eine Art "Urzustand" zurückversetzten Stammzellen spielen in der Forschung eine große Rolle, weil sie ethisch weniger umstritten sind als Stammzellen, die direkt aus Embryonen gewonnen werden.

Um ausgereifte Zellen zu reprogrammieren, gibt es zwar auch andere, besser erprobte Methoden, die sich zudem bereits auf menschliche Zellen anwenden lassen. Die hierzu nötigen Techniken sind jedoch komplizierter als das Verfahren, welches Obokata und ihre Kollegen beschrieben haben. Demnach soll ein kurzes Bad in Zitronensäure genügen, um die Zellen umzuprogrammieren. Allerdings hatte auch Obokata ihren Veröffentlichungen zufolge nur bei einem Teil der Zellen Erfolg. Sollte sich die Methode jedoch bewähren, wäre das eine enorme Erleichterung für Stammzellforscher. Die erst 30-jährige Obokata galt nach der Veröffentlichung als Vorbild für junge, erfolgreiche Wissenschaftlerinnen.

Schnell machten sich andere Forscherteams daran, die Experimente der jungen Biologin zu wiederholen, auch mit anderen Zellen als denen von Mäusen. Dabei häuften sich jedoch Berichte, wonach Obokatas Ergebnisse nicht reproduzierbar seien. Um die dadurch entstandene Skepsis an den Studien auszuräumen, veröffentlichte das Riken-Zentrum kürzlich eine Art Anleitung, wie Forscher im Labor vorgehen sollten. Damit wurde allerdings klar, dass die Methode nicht so einfach ist, wie sie zunächst dargestellt wurde. James Adjaye, Direktor des Instituts für Stammzellforschung der Universität Düsseldorf, sagt: "Wir versuchen derzeit, die Methode auf menschliche Zellen anzuwenden. Wir sehen Veränderungen in der Morphologie der Zellen, aber es ist noch zu früh, um zu beurteilen, was in unseren Versuchen wirklich geschieht."

Enthält nur die Studie Mäkel, oder ist die ganze Technik wertlos?

Zusätzlich zu den technischen Problemen bei der Wiederholung der Versuche kamen im Februar Vorwürfe auf, einige Abbildungen in den Studien seien doppelt verwendet worden. Nun habe er außerdem erfahren, dass die Veröffentlichungen auch ein Bild enthalten, das Obokata bereits 2011 in anderem Zusammenhang in ihrer Doktorarbeit verwendet habe, sagte Wakayama dem Wall Street Journal. Auch er habe Obokatas Ergebnisse nicht reproduzieren können. Falls das auch sonst niemandem gelinge, sei die Technik wertlos.

Die Zeitung zitiert jedoch auch einen weiteren der Autoren, Charles Vacanti vom Brigham and Women's Hospital in Boston, der die Resultate verteidigt und bislang keinen Grund sieht, die Publikationen zurückzunehmen. Vacantis frühere Forschung bildet zum Teil die Grundlage, auf der Obokatas Methode aufbaut. Auch der Düsseldorfer Forscher Adjaye sagt: "Ich finde es noch zu früh, das Zurückziehen der Studien zu verlangen." So ist eine wichtige Frage noch ungeklärt: Diskreditieren die bislang bekannten Mängel die gesamte Methode - oder funktioniert diese im Prinzip trotz aller Kritik?

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