Stammzellforschung:Spermien aus dem Labor

Britische Wissenschaftler haben erstmals menschliche Spermien aus Stammzellen erzeugt. Doch können sie unfruchtbaren Männern helfen?

Hanno Charisius

Mit einer alchemistisch anmutenden Rezeptur hat eine internationale Forschergruppe im Labor künstliches Sperma hergestellt. Dem Team um den Biomediziner Karim Nayernia von der Universität Newcastle gelang es nach eigenen Angaben erstmals, menschliche embryonale Stammzellen, die ein männliches Y-Chromosom trugen, in Keimzellen zu verwandeln.

Stammzellforschung: Ein Spermium tritt in die Eizelle ein. Die Kunst-Spermien der britischen Forscher sollen allerdings momentan nicht der Befruchtung dienen.

Ein Spermium tritt in die Eizelle ein. Die Kunst-Spermien der britischen Forscher sollen allerdings momentan nicht der Befruchtung dienen.

(Foto: Foto: ddp)

Eizellen wolle man mit diesen Konstrukten jedoch nicht befruchten, betont Nayernia. "Wir haben diese Arbeit nicht gemacht, um Babys zu zeugen und wir haben dies auch nicht vor." Er verspricht sich von den künstlichen Keimzellen vielmehr Einblicke in die Biologie der Spermien. "Wir wollen verstehen, warum so viele Männer unfruchtbar sind. Vielleicht lassen sich daraus in ferner Zukunft Therapien für unfruchtbare Männer entwickeln."

Im Fachjournal Stem Cells and Development (online) beschreibt das Team, auf welchem Weg die In-Vitro-Spermien erzeugt wurden. Die Forscher betonen, dass die Zellen vollständig ausgereift und bewegungsfähig seien. Mit einem Videoclip im Internet wollen sie die Agilität ihrer Konstrukte belegen, die von Experten bezweifelt wird, die nicht an der Studie beteiligt waren. Sie kritisieren die niedrige Qualität der Bilder und fordern Nachweise für die Funktionstüchtigkeit der Kunst-Spermien.

Auch der Reproduktionsbiologe Miodrag Stojkovic vom Prinz Felipe Forschungszentrum im spanischen Valencia, der die Stammzellen für Nayernias Experimente hergestellt hat und deshalb als Ko-Autor auf dem Fachartikel steht, wünscht sich solche Belege. "Bis gezeigt wurde, dass diese Zellen tatsächlich ein Ei befruchten können, muss man sehr vorsichtig mit solchen Aussagen sein." Weitere Tests seien notwendig, um festzustellen, was die Forscher aus Newcastle wirklich erreicht hätten.

Eine künstliche Befruchtung von Eizellen mit dem Laborsperma verbietet jedoch das britische Recht. Auch in Deutschland sind solche Versuche durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Er warte derzeit auf eine Genehmigung für diese Kontrollexperimente, sagt Nayernia und betont nochmals, dass es dabei nicht darum ginge, Babys zu zeugen. Falls Embryonen entstünden, würden sie nur wenige Tage alt werden.

Bis vor etwa drei Jahren hat Nayernia noch im Labor des Göttinger Stammzellforschers Wolfgang Engel gearbeitet, dessen Name ebenfalls in der Autorenliste des neuen Fachaufsatzes auftaucht. "Wir haben damals das gleiche Experiment nur mit Mäusezellen gemacht", erzählt Engel.

Im Tierversuch gelang es sogar, lebende Mäuse mit Hilfe der In-Vitro-Spermien zu zeugen. Doch die Nachkommen aus diesen Experimenten waren entweder kleiner oder größer als gewöhnlicher Mäusenachwuchs und sie blieben auch nicht lange am Leben. Die Forscher vermuten, dass die chemische Behandlung der Stammzellen, die sie dazu bringt, sich zu Spermien zu entwickeln, das Erbgut der Zellen nicht korrekt reprogrammiert.

Bei menschlichen Zellen dürfte dies kaum besser gelingen. "Unter dem Mikroskop sieht es oft so aus, als wäre die Verwandlung von Stammzellen erfolgreich verlaufen", sagt Stojkovic. "Aber meist stellt man später fest, dass nur wenige dieser Zellen funktionieren."

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